Leitsatz (amtlich)
Werden in außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien mehrere Parallelverfahren einbezogen, so fallen für die beteiligten Rechtsanwälte die Terminsgebühren in allen besprochenen Fällen aus dem jeweiligen Gegenstandswert und nicht nur aus dem addierten Wert der betroffenen Verfahren an (entgegen KG Beschl. v. 6.11.2008 - 2 W 11/08, JurBüro 2009, 80 = AGS 2009, 175).
Normenkette
ZPO §§ 103-104; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 3; RVG-VV Nr. 3104
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 18.08.2009; Aktenzeichen 22 O 24752/05) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwerde beträgt 1.376,15 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das LG München I hat der auf die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages gerichteten Klage mit Endurteil vom 16.11.2006 weitgehend stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ihre gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung hat die Beklagte, nachdem außergerichtliche Einigungsgespräche gescheitert waren, mit Schriftsatz vom 22.1.2009 zurückgenommen. Der 19. Zivilsenat des OLG München hat daraufhin der Beklagten mit Beschluss vom 26.1.2009 die Kosten der Berufung und der wirkungslos gewordenen Anschlussberufung auferlegt und den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 50.508,40 EUR festgesetzt.
Die danach in vollem Umfang erstattungspflichtige Beklagte wendet sich dagegen, dass zugunsten der Kläger im Berufungsverfahren eine volle Terminsgebühr aus dem vom OLG festgesetzten Streitwert i.H.v. 1.347,60 EUR berücksichtigt worden ist.
Zur Begründung wird ausgeführt, es sei zwar richtig, dass am 2.10.2008 Vergleichsverhandlungen geführt worden seien. Diese hätten sich aber auf ein ganzes Paket verschiedener Einzelfälle bezogen und es sei ein Gesamtbetrag von 1,85 Mio. EUR für sämtliche Fälle alle vier Fonds betreffend ermittelt worden. Der Klägervertreter hätte diesen Betrag auf die Einzelfälle umlegen sollen. Es sei nicht richtig, dass bei den Vergleichsverhandlungen die Besonderheiten der Einzelfälle ausdrücklich besprochen worden seien. Es seien somit in den Prozessen, die in die Besprechung einbezogen worden seien, zwar jeweils Terminsgebühren entstanden. Der Höhe nach falle die Gebühr aber nur einmal aus der Summe der Streitwerte aller betroffenen Verfahren an. Jedem Verfahren sei der Gebührenanteil zuzuordnen, der dem Anteil des Verfahrens am Gesamtstreitwert entspreche. Der Gesamtstreitwert der besprochenen Verfahren belaufe sich auf 3.631.840,57 EUR. Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens betrage 46.798,39 EUR, somit 1,28 % des Gesamtstreitwertes. Die Terminsgebühr aus dem Gesamtstreitwert betrage 14.935,20 EUR. Bei einer Quote von 1,28 % ergebe sich somit ein Betrag von 191,17 EUR, den die Kläger für die Terminsgebühr geltend machen könnten. Der zutreffende Festsetzungsbetrag für das Berufungsverfahren belaufe sich somit auf 2.790,40 EUR.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Durch Besprechungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien kann eine Terminsgebühr gemäß der Nr. 3104 RVG-VV anfallen. Hierfür reicht es nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV aus, dass der Prozessbevollmächtigte an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt hat, wobei diese auch telefonisch durchgeführt werden können (BGH Rpfleger 2006, 624 = NJW-RR 2006, 1507; BGH NJW-RR 2007, 286 = JurBüro 2007, 26; OLG Koblenz NJW 2005, 2162 = Rpfleger 2005, 488 = JurBüro 2005, 417; Senatsbeschlüsse vom 30.11.2005 - 11 W 1611/05 und vom 25.3.2009 - 11 W 1088/09; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., Vorbem. 3 Rz. 95, 103, 104).
2. Die Terminsgebühr kann im Kostenfestsetzungsverfahren in Ansatz gebracht werden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes unstreitig sind (BGH NJW-RR 2007, 286 und NJW-RR 2007, 787). Nur falls dies nicht zutrifft, muss der Anspruchsteller im Kostenfestsetzungsverfahren den Ansatz gem. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft machen.
a) Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass am 2.10.2008 in den Räumen der Beklagten in Stuttgart zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien Vergleichsverhandlungen geführt worden sind, in die auch das hier gegenständliche Verfahren einbezogen wurde. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob die Verhandlungen nur eine Gesamteinigung ("Paketvergleich") zum Ziel hatten oder ob, wie die Kläger behaupten, über den vorliegenden Fall speziell verhandelt worden ist.
Bereits der von beiden Seiten eingeräumte Gesprächsinhalt reicht für die Entstehung der Terminsgebühr in der geltend gemachten Höhe aus.
aa) Gerade bei komplexen Sachverhalten und mehreren Parallelverfahren kann es für die Entstehung der Terminsgebühr ausreichen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt und/oder unterschiedliche ...