Entscheidungsstichwort (Thema)
Problematik des merkantilen Minderwertes und Klageänderung nach Hinweis gemäß § 522 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Auf einen in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag kommt es nicht an, wenn die insoweit erfolgte Klageerweiterung aufgrund der Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO wirkungslos ist.
2. Verlangt der Käufer eines VW mit einem Motor des Typs EA 189 aus Deliktsrecht die Erstattung eines merkantilen Minderwerts und beantragt nach Klageabweisung durch das Eingangsgericht und Hinweis auf eine beabsichtigte Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO hilfsweise die Rückabwicklung, so kann diese Klageänderung wirkungslos bleiben.
Normenkette
BGB § 826; ZPO §§ 139, 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 13.03.2019; Aktenzeichen 11 O 5352/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 13.03.2019, Aktenzeichen 11 O 5352/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.968,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die der Kläger gegen die Beklagte als Herstellerin eines Fahrzeugs geltend macht, in dessen Motor der Kennung EA 189 eine abgasbeeinflussende Software verbaut worden ist.
Der Kläger erwarb am 11.02.2015 vom Auto R. GmbH & Co KG in F. einen gebrauchten PKW VW Tiguan 2.0 l zum Preis von 19.900,00 Euro, Anlage K 1.
In dem Fahrzeug war eine Motorgerätesoftware verbaut, durch welche die Stickoxydwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Ein Software-Update wurde zwischenzeitlich aufgespielt Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei im Rahmen eines deliktischen Schadensersatzanspruches verpflichtet, der Klägerseite einen durch die Abgasmanipulation entstandenen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs in Höhe von mindestens 25% des Kaufpreises zu erstatten. Das Aufspielen eines Softwareupdates stelle keinen sachgemäßen Versuch dar, den Mangel zu beheben. Die Beklagten habe sittenwidrig gehandelt, es bestehe daher ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er von dem Mangel Kenntnis gehabt hätte.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Schaden erlitten. Die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil er im Falle eines Schadens sowieso nur das negative Interesse verlangen könne. Einen Anspruch auf Rückabwicklung mache er aber nicht geltend. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig.
Wegen der festgestellten Tatsachen und weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verweisen, § 540 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.03.2019 abgewiesen mit der Begründung, beide Anträge seien bereits unzulässig, aber jedenfalls auch unbegründet. Der Leistungsantrag sei unbeziffert. Der Kläger begehre eine Erstattung des merkantilen Minderwerts, dessen Erstattung im Rahmen deliktischer Ansprüche nicht geschuldet sei.
Dagegen richtet sich die vom Kläger eingelegte Berufung, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge vollumfänglich weiter verfolgt. Der Feststellungsantrag sei zulässig, die Bezeichnung der manipulierenden Software sei genau genug. Zumindest hätte das Landgericht auf seine Zulässigkeitsbedenken hinweisen müssen. Das Landgericht habe auch rechtsfehlerhaft den geltend gemachten Schadensersatzanspruch verneint. Der merkantile Minderwert stelle eine Grundlage für die Schadensberechnung dar. Bei einem Vergleich der Vermögenslagen sei zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug ohne die Abschalteinrichtung einen deutlich höheren Wert hätte. Die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse spiele nur bei vertraglichem oder vertragsähnlichem, aber nicht bei deliktischem Schadensersatz eine Rolle. Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 08.08.2019, Bl. 268/280 d.A. Bezug genommen.
Mit der Berufung beantragte der Kläger:
1. Das Urteil des Landgerichts München II vom 13.03.2019 (Az. 11 O 5352/18) wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25% des Kaufpreises des Fahrzeugs 19.900,00 EUR, mindestens somit 4.975,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei über den Betrag aus Hauptantrag zu 1) hinausgehenden Schadensersatz für weitere Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs, ...25, mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren, zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.348,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu ersta...