Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorfälligkeitsentschädigung, Darlehensverträge, Darlehensrückführung, Darlehenskündigung, Darlehenszusage, Darlehensbedingungen, Darlehensnehmer, Darlehensgeber, Darlehensablösung, Gesicherte Darlehen, Erwerb einer Eigentumswohnung, Berechtigtes Kündigungsinteresse, Löschungsbewilligung, vorzeitige Rückzahlung, Außerordentliche Kündigung, Bereicherungsansprüche, Konkludente Kündigung, Ordentliche Kündigung, Kündigungserklärung, Kündigungsregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kündigung eines Darlehensvertrages ist grundsätzlich formlos möglich, bedarf insbesondere nicht der Schriftform und muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich konkludent aus den Umständen ergeben. Die Kündigung muss hinreichend deutlich in dem Sinne sein, dass sich daraus für den Kündigungsempfänger klar der Wille des Kündigenden ergibt, dass das Darlehen nicht mehr ratierlich, sondern vorzeitig in einem Betrag zurückgezahlt und der Darlehensvertrag beendet werden solle.
2. Das Ersuchen des einen Immobilienverkauf beurkundenden Notares bei der Bank um Übersendung einer Löschungsbewilligung für eine zu ihren Gunsten eingetragene Grundschuld samt Erfragung des hierfür erforderlichen Ablösungsbetrags kann eine Kündigung des besicherten Darlehens durch die Immobilienverkäufer und Darlehensnehmer darstellen. Im hiesigen Fall konnte die Bank die ihr gegenüber abgegebenen Erklärung schon deshalb nur als Kündigung des 2009 abgeschlossenen Darlehensvertrages gemäß § 490 Abs. 2 S. 1, 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB maßgeblichen, vom 01.01.2002 bis 10.06.2010 geltenden Fassung verstehen, weil den Darlehensnehmern nach der damals maßgeblichen Rechtslage ein Recht auf vorzeitige Erfüllung - ohne Kündigung - nach § 500 Abs. 2 BGB in der ab 11.06.2010 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) nicht zustand, weil diese Vorschrift noch nicht existierte.
3. Wenn ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen zur Finanzierung eines Wohnanwesens nach dessen Verkauf aufgrund einer einverständlichen Vertragsaufhebung vorzeitig getilgt wird, ohne dass eine Einigung über eine zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung erzielt werden kann, liegt eine Regelungslücke vor, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahingehend zu schließen ist, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt werden muss.
4. Die Unterrichtungspflicht nach § 491a Abs. 1 BGB, Art. 247 § 1 i.V.m. § 4 Nr. 3 EGBGB über den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung und dessen Berechnungsmethode gilt nur dann, falls der Darlehensgeber im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens ohne Kündigung nach § 500 Abs. 2 BGB eine Vorfälligkeitsentschädigung i.S.v. § 502 BGB geltend machen will. Eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB wegen außerordentlicher Kündigung des Darlehensvertrages nach § 490 Abs. 2 S. 1, 2 BGB ist hiervon nicht erfasst. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Gesetzeshistorie.
5. Falls die Bank ausführliche und detaillierte Informationen über die Ermittlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nebst ausführlicher Darstellung und Erläuterung der Rechenwege und -parameter vorlegt, ist der Verbraucher gehalten, die Richtigkeit der Berechnung nicht nur pauschal zu bestreiten, sondern deren Grundlagen konkret zu bestreiten bzw. Fehler zu benennen, will er die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung angreifen.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 04.09.2023; Aktenzeichen 35 O 16098/22) |
Tenor
I. Der Senat weist nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 04.09.2023, Az. 35 O 16098/22, gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
II. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten vereinnahmten Vorfälligkeitsentschädigung für die vorzeitige Rückführung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens.
Die Kläger sind Verbraucher.
Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft mit Sitz in München.
Im Dezember 2009 erwarben die Kläger eine Eigentumswohnung in dem Anwesen (im Folgenden: Eigentumswohnung) zu einem Kaufpreis von 463.300 EUR.
Zur Finanzierung des Erwerbs der Eigentumswohnung schlossen die Kläger mit der Beklagten am 07./14.12.2009 einen Darlehensvertrag über einen Kreditbetrag von 466.000 EUR mit der Darlehens-Nummer (Anlage K 1; im Folgenden: Darlehen). Die Vertragslaufzeit lief bis 30.12.2031. Es waren variable, vierteljährlich zu zahlende Zinsen vereinbart. Die Tilgung sollte in einer Summe von 466.000 EUR, spätestens zum Laufzeitende erfolgen. Als Sicherheit wurde der Beklagten von den Klägern neben anderem eine Buchgrundschuld in Höhe von 466.000 EUR auf die Eigentumswohnung eingeräumt.
Am 27.03./07.04.2014 schlossen die Parteien einen weiteren, als "Verbraucherdarlehensvertrag gemäß §§ 491 ff. BGB (befristetes, grundpfandrechtli...