Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschalteinrichtung, Unzulässigkeit, Klagepartei, Nichtzulassungsbeschwerde, Sittenwidrigkeit, Greifbare Anhaltspunkte, Streitwertfestsetzung, Amtliche Auskunft, Tatbestandswirkung, Rechtsprechung des BGH, Verwaltungsrechtlicher, Differenzschaden, Berufungsrücknahme, Betriebsuntersagung, Nichterkennen, Besondere Verwerflichkeit, Berufungsverfahren, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Kaufvertrag, Manipulations-Software
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 03.12.2021; Aktenzeichen 6 O 863/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 03.12.2021, Az. 6 O 863/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht für die Klagepartei Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.09.2023.
3. Binnen derselben Frist können beide Seiten zu Streitwert des Berufungsverfahrens Stellung nehmen, den der Senat beabsichtigt auf 13.608,94 EUR festzusetzen.
Gründe
A. Die Klagepartei erwarb am 25.06.2015 von dritter Seite einen neuen VW Caddy 2.0 TDI, EU 6, für 19.822,12 EUR netto, in dem ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor EA288 verbaut war. Am 13.10.2021 betrug die Fahrleistung des Fahrzeugs 94.034 km. Für dieses existiert kein Rückruf seitens des KBA.
Die Klagepartei trägt schriftsätzlich vor, sie habe ein umweltfreundliches Fahrzeug gewollt. Im Pkw befinde sich indessen eine Manipulationssoftware entsprechend der im Motor EA189. Es seien mehrere "unzulässige Abschalteinrichtungen" verbaut, d.h. eine Fahrkurvenerkennung, ein Thermofenster und eine Akustikfunktion, bei deren Aktivierung die Einspritzstrategie und die AGR-Rate die Stickoxidemissionen im Wesentlichen nur auf dem Prüfstand vermindere. Bei Drehzahlen von 2500, 2750 bzw. 3000 Umdrehungen/min würde die Abgasrückführung abgeschaltet. Am SCR-Katalysator seien Manipulationen vorgenommen worden. Das OBD-System sei so eingerichtet, dass es Fehler in der Abgasmessung nicht aufzeichne. Zudem habe die Beklagte die Typengenehmigung erschlichen, indem sie dem KBA einen falschen Ki-Faktor genannt habe. Abgasmessungen verschiedener Einrichtungen würden belegen, dass der Emissionsausstoß im realen Fahrbetrieb um ein Vielfaches höher sei als auf dem Prüfstand. Auch durch das interne Schreiben von der Beklagten mit der Überschrift "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288" sei eine unzulässige Abschalteinrichtung belegt. Dieses Vorgehen, über das sie bewusst im Unklaren gelassen worden sei, sei mit Kenntnis des Vorstands der Beklagten allein aufgrund des Strebens nach Gewinn und nach der Marktführerschaft gewählt worden. Bei Kenntnis der wahren Sachlage hätte sie den Kauf nicht getätigt.
Das Verhalten der Beklagten stelle eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung dar. Diese habe über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs getäuscht. Es könne daher Schadensersatz beansprucht werden insbesondere aus §§ 826, 31 BGB.
Die Beklagte bestreitet den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung für den Motortyp EA288, für den es auch keinen amtlichen Rückrufbescheid des KBA wegen dessen Emissionsverhaltens gebe. Sie hat insbesondere eingewandt, im Gegensatz zum Motor EA189 sei die im Motorsteuergerät hinterlegte Fahrkurve nicht mit einer Umschaltlogik bezüglich der Abgasreinigung verknüpft. Das verwendete Thermofenster, das keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei die einzige Möglichkeit, gewisse Bauteile vor Schäden zu schützen. Die Verwendung von Thermofenstern entspreche auch dem Stand der Wissenschaft und Technik. Das OBD-System diene der Fahrzeugüberwachung und wirke nicht auf Systeme zur Emissionskontrolle ein. Das KBA habe den Motor EA288 zwischen Oktober 2015 und April 2016 eingehend untersucht und keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt.
Die Klagepartei hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.608,94 EUR nebst näher bezeichneten Zinsen zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Klagepartei Schadensersatzansprüche weder aus §§ 826, 31 BGB noch aus anderen Vorschriften zustünden.
Die Klagepartei habe, wie weiter ausgeführt, bereits die Kausalität zwischen behaupteter Täuschung und Kaufvertragsschluss nicht nachgewiesen.
Die Klagepartei habe zudem nicht ausreichend vorgetragen, dass in ihrem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert seien.
Zwar sei unstreitig eine Software zur Fahrkurvenerkennung verbaut. Die Beklagte habe jedoch nachvollziehbar und bei Vorlage von Auskünften des KBA (Anlage B18 und B28) dargelegt, dass d...