Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung, Sittenwidrigkeit, Untersagung, Fahrzeug, Schadensersatzanspruch, Ermessen, Sachmangel, Verfahren, Beweislast, Widerruf, Herausgabe, Zahlung, form, Anspruch, Zug um Zug, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Urteil vom 21.06.2021; Aktenzeichen 22 O 1926/20)

 

Nachgehend

OLG München (Beschluss vom 18.10.2021; Aktenzeichen 24 U 4613/21)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.06.2021, Az. 22 O 1926/20, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

 

Gründe

I. Die Klägerin erwarb laut Rechnung vom 15.01.2015 bei der E. S. GmbH einen Neuwagen VW Golf Sportsvan 2.0 TDI als EU-Reimport zum Kaufpreis von 27.420 EUR. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe EA 288 mit NOx-Speicherkatalysator (Schadstoffklasse Euro 6) verbaut. Für das Fahrzeug erging kein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts wegen Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Fahrzeug hatte am 31.05.2021 eine Laufleistung von 87.614 km.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht Memmingen geltend gemacht, das Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Das Landgericht hat ihre im Hauptantrag auf Zahlung von 27.420 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 21.06.2021 abgewiesen. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiter, wobei sie die Höhe der in Abzug zu bringenden Nutzungsentschädigung ins Ermessen des Gerichts stellt.

II. Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

1. Ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) besteht nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - juris Rn. 13 bis 19 und vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - juris Rn. 27 f.) wäre Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB, dass die Beklagte in Fahrzeugen des von der Klägerin erworbenen Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem KBA als für die Typgenehmigung zuständiger Behörde verschwiegen hat, um sich die begehrte Typgenehmigung zu erschleichen. Selbst wenn die Beklagte also in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben sollte, genügte dies nicht dafür, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 826 BGB bestehen. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ("Thermofenster") ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt war. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit wäre nur gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für diese Voraussetzung trägt nach den allgemeinen Grundsätzen die Klägerin als Anspruchstellerin die Beweislast.

b) Die Klägerin behauptet eine Manipulation der Abgasreinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in zweifacher Hinsicht. Der Motor verfüge über eine "Zykluserkennung/ Fahrkurvenerkennung", welche die Regeneration des NOx-Speicherkatalysators auf dem Prüfstand manipuliere; außerdem bestehe ein sogenanntes "Thermofenster". Alle Behauptungen belegen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsbegründung keine objektive Sittenwidrigkeit im dargelegten Sinne.

aa) Die Behauptung der Klägerin, im streitgegenständlichen Motor der Baureihe EA 288 sei eine "Zykluserkennung" wie bei der Baureihe EA 189 hinterlegt, ist keineswegs unstreitig. Die Beklagte hat vielmehr bestritten, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug jemals eine Fahrkurven-/Zykluserkennung hinterlegt gewesen sei, die Einflus...

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