Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlagung der testamentarischen Miterbschaft. Anfechtung der Erbausschlagung wegen Irrtums. Ausschlagungsfrist. Ausschlagungsgrund. Anfechtungsfrist. Anfechtungsgrund. Beginn der Ausschlagungsfrist. Geschäftsfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Ausschlagung der Erbschaft als nur testamentarischer Miterbe ist wirksam, da die Ausschlagung auf einen Berufungsgrund beschr‰nkt werden kann. Ma_geblich für den Beginn der Ausschlagungsfrist ist die Kenntnis vom Erbfall und dem Grund der Berufung, wobei die Kenntnis ein zuverl‰ssiges Erfahren der Umst‰nde voraussetzt, auf Grund dessen ein Handeln erwartet werden kann. Ist jedoch bei objektiver Beurteilung die Rechtslage eindeutig, darf sich ein Erbe nicht „blind stellen”.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2, § 119 Abs. 1 S. 1, § 1944 Abs. 2 S. 1, § 1948 Abs. 1, § 1949 Abs. 1-2, § 1953 Abs. 1-2, § 1954 Abs. 1-2, § 2094 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 31.01.2006; Aktenzeichen 16 T 10058/05)

AG München (Aktenzeichen 67 VI 5963/02)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) wird der Beschluss des LG München I vom 31.1.2006 aufgehoben, soweit er hinsichtlich der den Beteiligten zu 2) bis 4) erteilten Erbscheine den Beschluss des AG München vom 4.5.2005 aufhebt und die Einziehung dieser Erbscheine anordnet. Insoweit wird die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG München vom 4.5.2005 zurückgewiesen.

II. Hinsichtlich des dem Beteiligten zu 5 erteilten Erbscheins wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) bis 4) im Beschwerdeverfahren vor dem LG entstandenen Kosten zu erstatten; die gegenteilige Kostenentscheidung des LG wird aufgehoben. Im Verfahren der weiteren Beschwerde findet eine Kostenerstattung nicht statt.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 262.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser ist am 13.4.2002 im Alter von 89 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist 1995 vorverstorben. Der kinderlose Beteiligte zu 1) ist das einzige gemeinsame Kind der Eheleute. Die Ehefrau hatte drei weitere Kinder aus erster Ehe. Die Beteiligte zu 2) ist ihre Tochter, die Beteiligten zu 3 und 4 sind deren Kinder. Eine weitere Tochter ist im Januar 1992 vorverstorben, der Beteiligte zu 5 ist ihr Sohn. Zum Sohn aus erster Ehe war der Kontakt abgebrochen.

Die Eheleute haben am 15.3.1992 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, das wie folgt lautet:

"Unser letzter Wille.

Wir, die Eheleute - setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.

Unsere zwei Kinder und drei Enkel sollen als Nacherben nur das erhalten was nach dem Tode des letzten Ehepartners von dem Nachlass des früher verstorbenen Ehepartners noch übrig ist - und zwar wie folgt:

(Beteiligte zu 2)) und (Beteiligter zu 1)) je 25 %

(Beteiligte zu 3), 4) und 5)) je 16 2/3 %

Verlangt eines unserer Kinder aus dem Nachlass des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil, so soll er nach dem Tode des zuletzt Versterbenden auch nur den Pflichtteil aus dessen Nachlass erhalten.

Das gleiche gilt, wenn eines unserer Kinder unseren letzten Willen anfechten sollte.

(Ort, Datum, Unterschriften)"

Im Zusammenhang mit dem Erbscheinsantrag nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser erklärt: "Schlusserben sind im Testament eingesetzt. Die angegebenen Nacherben sind auch die Erben meines Vermögens." Das drei Seiten umfassende Protokoll enthält ferner am Ende der zweiten Seite einen handschriftlichen Einschub, in dem die Formulierung "unsere zwei Kinder" erläutert und ausgeführt wird: "Es war für mich kein Unterschied zu meinem eigenen Kind und (der Beteiligten zu 2))."

Zum Nachlass gehört eine Eigentumswohnung; der Gesamtnachlasswert beträgt rund 1 Mio. EUR.

Der Beteiligte zu 1) hat mit Urkunde seines zugleich als Notar tätigen Verfahrensbevollmächtigten vom 24.5.2002 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als alleinigen gesetzlichen Erben ausweist. Zur Begründung hat er ausgeführt, das gemeinschaftliche Testament vom 15.3.1992 enthalte keine Erbeinsetzung nach dem Letztversterbenden, so dass gesetzliche Erbfolge eintrete. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind dem entgegengetreten. Sie haben die Auffassung vertreten, die als "Nacherben" bezeichneten Bedachten seien zugleich Schlusserben nach dem Letztversterbenden. Der Beteiligte zu 4) hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins beantragt, der die Beteiligte zu 2) als Miterbin zu ¼, die Beteiligten zu 3) und 4) als Miterben zu je 1/6 ausweist.

Mit Verfügung vom 10.10.2002 hat das Nachlassgericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Erklärung des Erblassers am 19.12.1995 für die Ermittlung des Erblasserwillens maßgebliche Bedeutung zukomme, und ihnen eine Ablichtung der Niederschrift des Nachlassgerichts übermittelt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1) hat mit Schriftsatz vom 30.10.2002 erwidert, es sei unrichtig, dass im Testament Schlusserben eingesetzt seien. Überdies se...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge