Entscheidungsstichwort (Thema)
Kopfhörer-Registrierung
Leitsatz (amtlich)
Zum Missbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG bei Verselbständigung der Abmahntätigkeit von der sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Abmahnenden.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.01.2015; Aktenzeichen 17 HK O 12330/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Nebenintervenientin und der Beklagten werden das Urteil des LG München I vom 29.1.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger wird im Wege der Widerklage verurteilt, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von EUR 1.434,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.5.2015 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz einschließlich der Kosten der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.
IV. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Kostenentscheidung im Urteil des LG München I vom 29.1.2015 wird zurückgewiesen.
V. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger kaufte am 7.3.2014 bei der Beklagten einen Kopfhörer der Marke M (vgl. Anl. FN 1). Er ist der Auffassung, der Vertrieb dieses Kopfhörers sei unter mehreren Gesichtspunkten unlauter, und hat deshalb nach einer Abmahnung, der die Beklagte anwaltlich entgegengetreten war, Klage erhoben und vier Unterlassungsansprüche sowie Ansprüche auf Erstattung seiner Abmahn- und Testkaufkosten verfolgt. Nachdem sich die Beklagte hinsichtlich dreier Unterlassungsansprüche strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat der Lieferantin des beanstandeten Kopfhörers den Streit verkündet.
Mit Urteil vom 29.1.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen und Aufhebung der Kosten verurteilt,
I. es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - wie bei den Kopfhörern M - Kopfhörer an Verbraucher in den Verkehr zu bringen, ohne hierfür zuvor bei der nach ElektroG zuständigen Stelle für die dem jeweiligen Gerät zugehörige Marke sowie der zugehörigen Geräteart registriert worden zu sein, sofern die Kopfhörer nicht über bereits hierfür mit der entsprechenden Marke und Geräteart registrierten Dritte bezogen werden;
II. dem Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 865,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seitdem 9.5.2014 zu erstatten;
III. dem Kläger Testkaufkosten in Höhe von 10,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.8.2014 zu erstatten.
Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten beigetreten. Als Nebenintervenientin wendet sie sich mit der von ihr eingelegten Berufung gegen die Verurteilung der Beklagten und verfolgt im Wege der Widerklage einen Anspruch der Beklagten auf Erstattung deren Kosten für die Abwehr der klägerischen Abmahnung. Sie beantragt mit ihrer dem Kläger am 5.5.2015 zugestellten Berufungsbegründungsschrift, das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.434,40 EUR nebst Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
Die Beklagte schließt sich diesen Anträgen an.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil insoweit und beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.
Daneben wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im landgerichtlichen Urteil hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3.9.2015 Bezug genommen.
B.I. Der Kläger ist ordnungsgemäß vertreten. Der Senat hat die vom Klägervertreter auf Rüge der Nebenintervenientenvertreter vorgelegten Vollmachtsurkunden geprüft und keinen Anlass zu Beanstandungen gefunden.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Auf der Grundlage des erst im Berufungsverfahren vorgebrachten Sachverhalts ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs als missbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG anzusehen; damit entfällt auch der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch.
a) Die Klage ist unzulässig, soweit mit ihr ein Unterlassungsanspruch verfolgt wird.
aa) Die Geltendmachung lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Davon ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein; ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung kann...