Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Gerichtsstand des Erfüllungsorts im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage eines einheitlichen Gerichtsstands des Erfüllungsorts im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis.
Einheitlicher Erfüllungsort im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis ist jedenfalls nach Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts bei beiderseits erfülltem Vertrag der Ort, an dem sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet.
Normenkette
BGB § 269 Abs. 1; ZPO § 29 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Memmingen (Urteil vom 04.04.2018; Aktenzeichen 31 O 846/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 04.04.2018, Az.: 31 O 846/17, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Memmingen zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil erster Instanz vorbehalten.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Landgericht Memmingen ist gemäß § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
§ 29 Abs. 1 ZPO begründet einen besonderen Gerichtsstand an dem Ort, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist (Erfüllungsort, synonym: Leistungsort), was sich nach materiellem Recht, hier mangels gesetzlicher Sonderregelungen nach § 269 BGB bestimmt. Nach dieser Vorschrift ist der Erfüllungsort für die Verbindlichkeiten beider Vertragsteile grundsätzlich einzeln und gesondert zu bestimmen (OLG München vom 13.01.2014 - 19 U 3721/13 - juris Rn. 14 m. w. N.). Danach wäre Erfüllungsort für die vom Kläger nach Rücktritt eingeklagte Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des gekauften Kraftrads) grundsätzlich der Ort, an welchem der beklagte Verkäufer seinen Wohnsitz hat (§ 269 Abs. 1 i. V. m. § 270 Abs. 4 BGB), hier also Eschweiler, so dass der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) derselbe wäre wie der allgemeine Gerichtsstand gemäß §§ 12 f. ZPO (Landgericht Aachen).
Etwas anderes kann sich gemäß § 269 Abs. 1 BGB jedoch im Fall einer anderweitigen Bestimmung oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, ergeben. Eine von der dargelegten Gesetzeslage abweichende Bestimmung hinsichtlich des Leistungsortes haben die Parteien nicht getroffen. Es ist jedoch seit langem umstritten, ob sich "aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses", ergibt, dass bei einem Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt von einem beiderseits erfüllten Kaufvertrag auf der Grundlage eines gesetzlichen Rücktrittsrechts als Erfüllungsort für die vom Käufer begehrte Rückzahlung des Kaufpreises (Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache) der Ort anzusehen ist, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet, so dass dieser Belegenheitsort als einheitlicher Erfüllungsort des Rückgewährschuldverhältnisses gilt. In diesem Fall ergäbe sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Memmingen, da sich das Motorrad, das der Kläger vom Beklagten erworben hat, vertragsgemäß beim Kläger in Lautrach befindet.
Einigkeit besteht darüber, dass sich hinsichtlich des Bestehens eines einheitlichen Erfüllungsortes unter dem geltenden Recht nichts anderes ergibt als nach dem früheren Recht der Wandelung (Stöber, NJW 2006, 2661/2662 m. w. N.); die zum früheren Recht vertretenen Auffassungen haben also ihre Grundlage nicht verloren. Im Übrigen stellt sich der Meinungsstand wie folgt dar:
a) Das Reichsgericht hat einen einheitlichen Erfüllungsort bejaht (RG vom 16.06.1903 - Rep. II. 543/02 - RGZ 55, 105/112 ff.). Der Bundesgerichtshof hat zunächst beiläufig ausgeführt, der Wohnsitz des Käufers sei deshalb als Erfüllungsort für den Wandelungsanspruch anzusehen, weil er als der Ort des Austausches der zurückzugewährenden Leistungen erscheine (BGH vom 20.11.1961 - VIII ZR 167/60 - MDR 1962, 399/400). In einer späteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes für den Wandelungsvollzug an dem Ort, an dem sich die Sache zur Zeit der Wandlung vertragsgemäß befindet, unter Angabe von Nachweisen als "herrschende^..] Meinung" bezeichnet (BGH vom 09.03.1983 - VIII ZR 11/82 - juris Rn. 14). Dieser Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof sodann insoweit angeschlossen, als er das sich aus dieser Auffassung für den Verkäufer ergebende Risiko, am womöglich weit entfernten Belegenheitsort (zumeist am Wohnsitz des Käufers) auf Rückzahlung des Kaufpreises verklagt zu werden, unter Berufung auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts als "gerechtfertigt" bezeichnet hat, "weil der vom Verkäufer zu vertretende Mangel der Kaufsache zur Wandelung geführt hat". Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Anschluss daran ausgeführt, dass sich im von ihm zu beurteilenden Fall nichts anderes ergäbe, wenn man einen einheitlichen Erfüllungsort im kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis verneinte. Im dortigen Fall ging...