Leitsatz (amtlich)
1. Die Haftung des Organs für masseverkürzende Leistungen nach § 64 Satz 1 GmbHG kann nur dann entfallen, wenn der Gesellschaft ein dem Gläubigerzugriff unterliegender Vermögenswert zufließt.
2. Insbesondere Zahlungen, mit denen Arbeitsleistungen abgegolten werden, sind masseschmälernde Zahlungen im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG (entgegen OLG Düsseldorf, Urteil vom 1.10.2015, 6 U 169/14).
Verfahrensgang
LG Passau (Urteil vom 18.08.2016; Aktenzeichen 1 HK O 48/15) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Passau vom 18.08.2016, Az. 1 HK O 48/15, dahingehend abgeändert, dass folgende neue Ziffer II. eingefügt wird:
II. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Erstattung des Betrages gemäß Ziffer I. an die Insolvenzmasse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen befriedigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Passau ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. H. Verwaltungs GmbH (in Folgenden Schuldnerin) Ansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG geltend.
Am 1.3.2015 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte war seit 27.1.2011 als Geschäftsführer der Beklagten im Handelsregister eingetragen. Mit Schreiben vom 23.6.2015 hat er sein Amt niedergelegt. Im Zeitraum vom 1.8.2014 bis 16.12.2014 hat der Beklagte diverse Überweisungen für die Schuldnerin getätigt.
Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens seit 31.7.2014 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen. Der Beklagte habe im Zeitraum vom 1.8.2014 bis 16.12.2014 Zahlungen in Höhe von insgesamt EUR 401.105,12 an diverse Lieferanten, Leistende, Arbeitnehmer und öffentliche Träger geleistet, obwohl deren Forderungen Lieferungen und Leistungen betrafen, die vor dem 31.7.2014 erfolgt seien. Nach Verrechnung von Gehaltsansprüchen in Höhe von EUR 1.675,78 für März/April 2015 verbleibe ein Anspruch in Höhe von EUR 399.429,34.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Klägerin EUR 399.429,34 samt Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.7.2015 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat insbesondere eingewendet, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei nicht eröffnet. Der Beklagte habe in einem Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin gestanden. Er habe zwischen Mai und September 2014 insolvenzrechtliche Beratung für die Schuldnerin in Anspruch genommen. Die Zahlungen für Verbrauchsmaterial, Einkauf von Food & Beverage, Gas- und Stromkosten, Betriebsausstattung, Werbeausgaben, Kosten für Wartung und Reinigung, Steuer- und Rechtsberatungskosten, Kosten der Therme, Arbeitslöhne einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und Zahlungen für freie Mitarbeiter seien mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar gewesen.
Mit Beschluss vom 8.1.2016 hat das LG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten als zulässig angesehen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG der Klage in Höhe von EUR 397.526,92 stattgegeben. Die Schuldnerin sei ab 31.7.2014 zahlungsunfähig bzw. überschuldet gewesen. Das gegen die substantiierte Darstellung des Klägers gerichtete Verteidigungsvorbringen des Beklagten sei erst nach Ablauf der Klagerwiderungsfrist erfolgt und damit verspätet und nach § 276 Abs. 1 Satz, § 296 Abs. 1 ZPO präkludiert. Im streitgegenständlichen Zeitraum seien unstreitig Zahlungen in Höhe von EUR 399.202,70 erfolgt. Bei deren Vornahme habe der Beklagte schuldhaft gehandelt, da er die ab 31.7.2014 bestehende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gekannt habe. Das Bestreiten des Beklagten sei verspätet. Ohne Erfolg berufe sich der Beklagte auf die Zulässigkeit der Zahlungen nach § 64 Satz 2 GmbHG, denn sein Sachvortrag sei zum einen unsubstantiiert und zum anderen verspätet. Es sei insbesondere nicht ersichtlich, wann die Zahlungen für Verbrauchsmaterial erfolgten bzw. ob die fraglichen Leistungen zu diesem Zeitpunkt ausgeführt gewesen seien.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klagabweisung weiterverfolgt. Er rügt insbesondere, das LG habe se...