Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Feststellungen bei Schadensersatzansprüchen nach einem berührungslosen Unfallgeschehen
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1-2, § 17 Abs. 3, § 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; GKG § 21 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 286, 529 Abs. 1 Nr. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 20.11.2015; Aktenzeichen 10 O 4044/14) |
Tenor
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 11.262,47 EUR festgesetzt.
1. Auf die Berufung des Klägers vom 08.12.2015, eingegangen am 09.12.2015, wird das Endurteil des LG München II vom 20.11.2015 (Az. 10 O 4044/14) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München II zurückverwiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München II vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Weiter ergeht gemäß §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO folgender Beschluss:
Tatbestand
A. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Unfall im Straßenverkehr geltend, wobei er - in der Hauptsache - verzinste Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 10.662,47 EUR und ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 600,- EUR, verlangt.
Am Dienstag, den 13.05.2014 gegen 08.45 Uhr, kam der Kläger mit seinem Pkw BMW 116i, amtliches Kennzeichen ..., auf der J. Straße im Gemeindegebiet von P. bei Kilometer 0.300 nach rechts von der Fahrbahn ab, nach seiner Meinung weil er bei einem Überholvorgang von dem Traktor DB MB-Trac 440/2, amtliches Kennzeichen ... 94, gehalten und gefahren vom Beklagten zu 2) und haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 1), behindert worden sei. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 20.11.2015 (Bl. 126/130 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG München II hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen (EU 1 = Bl. 126 d.A.), weil dem Kläger "der Nachweis eines Verschuldens des Beklagten zu 2) an dem Unfall" misslungen sei (EU 4 = Bl. 129 d.A.). Hinsichtlich der Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 128/130 d.A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihm am 26.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 09.12.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 08.12.2015 Berufung eingelegt (Bl. 138/143 d.A.) und diese gleichzeitig begründet.
Der Kläger beantragt, das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das LG München II zurückzuverweisen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
- an den Kläger 10.662,47 EUR und ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 600,- EUR, jeweils nebst Zinsen aus diesen Beträgen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.06.2014 und 03.06.2014 zu bezahlen,
- an den Kläger für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.132,88 EUR zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.09.2014 (BB 2 = Bl. 139 d.A.).
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen (Bl. 146 d.A.).
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 12.04.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 29.04.2016 bestimmt (Bl. 159/160 d.A.).
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 24.02.2016 (Bl. 148/150 d.A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Entscheidungsgründe
B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I. Das LG hat entschieden, dass Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes nicht bestünden, weil - unabhängig von der Unfallursache - der Kläger jedenfalls nicht habe beweisen können, dass dem Beklagten zu 2) ein Fehlverhalten zur Last falle (EU 1, 4 = Bl. 126, 129 d.A.).
Dieses Ergebnis entbehrt einer überzeugenden Grundlage, weil sowohl die tatbestandliche Darstellung, als auch die Beweiserhebung unvollständig geblieben sind. Überdies sind die Beweiswürdigung und die Anwendung sachlichen Rechts nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Die erstinstanzliche Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) ist zu beanstanden, weil diese weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend erarbeitet wurden. Deswegen ist der Senat wegen offensichtlicher Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten (BGH WM 2015, 1562; NJW 2005, 1583; r + s 2003, 522) n...