Leitsatz (amtlich)

1. Der Betreiber einer Bewertungsplattform haftet für die Darstellung der Gesamtbewertung eines Unternehmens gemäß § 7 Abs. 1 TMG als unmittelbarer Störer, wenn er nicht den nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten aus allen Einzelbewertungen errechneten Durchschnitt veröffentlicht, sondern unter den abgegebenen Bewertungen diejenigen auswählt, die er für vertrauenswürdig und nützlich hält, und den Durchschnitt nur aus diesen errechnet.

2. Jedenfalls dann, wenn sich die Auswahl nicht auf die Aussonderung offensichtlich gefälschter Bewertungen beschränkt, führt sie zu einer verzerrten Gesamtbewertung, die zum Wesen eines Bewertungsportals im Widerspruch steht, weil sie nicht das Gesamtbild der abgegebenen Bewertungen widerspiegelt und deshalb nicht repräsentativ ist.

3. Eine Bewertung im Internet kann auch nach irischem Recht untersagt werden, wenn es sich um eine rufschädigende Äußerung im Sinne des Defamation Act 2009 handelt und der Bewertende sich nicht auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 25 O 24645/14)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.01.2020; Aktenzeichen VI ZR 497/18)

 

Tenor

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 12.2.2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 31.3.2016 wird abgeändert und neu gefasst wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken jeweils am Direktor der Beklagten, zu

unterlassen,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf der Internetseite www.....de für das Fitnessstudio "...-..." der Klägerin eine Gesamtbewertung und/oder eine Gesamtzahl der Bewertungen auszuweisen, in die Beiträge (Bewertungen) die von Nutzern der vorgenannten Internetseite abgegeben wurden und die von der Beklagten momentan nicht empfohlen werden, nicht einbezogen werden,

wenn dies geschieht wie in Anlage I zum Urteilstenor.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer 1. bezeichneten Verletzungshandlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 765,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 382,70 EUR seit 15.8.2015 und aus weiteren 382,70 EUR seit 7.10.2015 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus Ziffer I. 1. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- EUR, die Zwangsvollstreckung aus den Ziffern I. 3. und III. dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 10.000,- EUR bzw. in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die unter www.....de ein Bewertungsportal im Internet betreibt, es zu unterlassen, Gesamtbewertungen und Bewertungszahlen ohne Einbeziehung von der Beklagten momentan nicht empfohlener Bewertungen auszuweisen, und macht Schadensersatzansprüche aufgrund des beanstandeten Verhaltens der Beklagten geltend.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend trifft der Senat folgende Feststellungen:

Auch zahlreiche Wettbewerber der Beklagten, wie z.B. ... und ..., "filtern" die Beiträge von Nutzern. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 40-42 d. A. und die Anlagen B 15 und B 16 Bezug genommen.

Die Klägerin hat keine Möglichkeit, ihren Betrieb der Darstellung auf der Webseite der Beklagten zu entziehen, also über die Einbeziehung der Bewertungen selbst zu entscheiden bzw. diese zu beeinflussen.

Die Beklagte hat zwischenzeitlich verschiedene Änderungen an der Darstellung der einzelnen Bewertungsseiten vorgenommen.

Die streitgegenständliche Bewertung der Beklagten hat zu einem erheblichen Kundenrückgang bei der Klägerin geführt.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben ihr für die Abmahnung 887,03 EUR (1,3 Geschäftsgebühren aus 10.000,- EUR zuzüglich 20,- EUR Auslagenpauschale und 19 % Umsatzsteuer) und für die Aufforderung der Beklagten zur Abgabe einer Abschlusserklärung 745,40 EUR (1,3 Geschäftsgebühren aus 10.000,- EUR zuzüglich 20,- EUR Auslagenpauschale) in Rechnung gestellt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die streitgegenständliche Bewertung sei weder eine Unternehmenspersönlichkeitsrechtsverletzung noch ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.

Bei den auf der Internetseite der Beklagten ausgewiesenen Gesamtbewertungen handle es sich um Meinungsäußer...

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