Entscheidungsstichwort (Thema)
Dringlichkeitsschädliches Verhalten bei laufender Verletzung von Schutzrechten auf Videoportalen
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein Antragsteller einen Accessprovider auf Sperrung des Zugangs zu bestimmten Portalen in Anspruch, weil über diese laufend Urheberrechtsverletzungen begangen werden, dann stellen die Verletzungen der Rechte an den verschiedenen Werken im Hinblick auf die begehrte Maßnahme der Sperrung des Zugangs zu den Portalen kerngleiche Verletzungen dar mit der Folge, dass, wenn der Antragsteller trotz Kenntnis der Möglichkeit, eine Sperrung zu bewirken, eine diesbezügliche einstweilige Verfügung nicht binnen eines Monats beantragt, er zeigt, dass ihm die Angelegenheit nicht dringlich ist.
Normenkette
ZPO §§ 917, 936
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.02.2019; Aktenzeichen 37 O 18232/18) |
Tenor
I. Die Berufungen der Antragstellerinnen zu 1), 2), 3), 5) und 6) gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.02.2019, Az. 37 O 18232/18, werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Antragstellerinnen zu 1), 2), 3), 5) und 6) - die Antragstellerin zu 4) hat zwischenzeitlich ihren Verfügungsantrag mit Schriftsatz vom 02.05.2019 zurückgenommen - ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts München I vom 22.02.2019, Az. 37 O 18232/18, beruht nicht auf einer Rechtsverletzung; die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung.
1. Der Verfügungsantrag der Antragstellerinnen zu 1), 2), 3), 5) und 6) ist bereits mangels Vorliegens eines Verfügungsgrundes unzulässig. Das Landgericht hat die für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit zu Recht verneint. Allein der Umstand, dass die Antragsstellerinnen erst ab dem 21.11.2018 (oder später) Kenntnis davon gehabt haben mögen, dass die in diesem Verfahren angeführten Werke auf den Internetdiensten KINOX.TO, BURNING SERIES und SERIEN STREAM illegal öffentlich zugänglich gemacht worden seien, genügt angesichts dessen, dass den Antragstellerinnen die fraglichen Portale selbst und die dort erfolgende Verletzung von Rechten an Werken aus ihrem jeweiligen Repertoire wie auch die Ausrichtung dieser Portale schon deutlich länger bekannt sind, nicht, um die Verfolgung des mit dem Hauptantrag begehrten Anspruchs im Eilverfahren als zulässig anzusehen.
a) Die nahezu einhellige Meinung behandelt den Verfügungsgrund (§ 936, § 917 ZPO) als Zulässigkeitsvoraussetzung zur Rechtfertigung des Vorgehens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Als Prozessvoraussetzung ist sein Vorliegen von Amts wegen zu prüfen und ist der Disposition der Parteien entzogen. Fehlt dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 299 m.w.N.).
b) Da die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG bzw. des § 140 Abs. 3 MarkenG für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche weder direkt noch analog zur Anwendung kommt, oblag den Antragstellerinnen gem. § 936, § 920 Abs. 2 ZPO die Pflicht, darzutun und glaubhaft zu machen, dass sie auf eine gerichtliche Eilmaßnahme angewiesen sind (Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 300 m.w.N.). Zudem darf kein dringlichkeitsschädliches Verhalten vorliegen, wobei ein solches anzunehmen ist, wenn es erkennen lässt, dass es dem Antragsteller mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn. 3.15), so dass die Durchführung eines Eilverfahrens mit all den damit zu Lasten des Antragsgegners verbundenen Einschränkungen gegenüber einem Klageverfahren einerseits und die mit dem Eilverfahren verbundene Bevorzugung der Sachbehandlung gegenüber anderen beim angerufenen Gericht anhängigen Verfahren andererseits nicht mehr gerechtfertigt erscheint (Senat, WRP 2019, 1375 Rn. 15 - Dringlichkeitsschädliche Sachbehandlung).
c) Dringlichkeitsschädliches Verhalten ist vorliegend zu bejahen.
aa) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 07.02.2019 (GRUR 2019, 507) entschieden hat, ist bei einem Antrag der hier streitgegenständlichen Art zu berücksichtigen, dass das Begehren der Antragstellerinnen auf die Sperrung des Zugangs zu den antragsgegenständlichen Portalen insgesamt gerichtet ist und die Anträge zwar werksbezogen formuliert sind, die konkret beantragte Maßnahme der DNS-Sperre tatsächlich aber nicht schutzrechtsbezogen wirkt. Die beantragte und zur Verfügung stehende Sperrmaßnahme ist nicht auf ein bestimmtes Schutzrecht ausgerichtet (vgl. BGH GRUR 2018, 1044 Rn. 27 und Rn. 32 - Dead Island), sondern darauf, dass den Kunden der Zugang zu den Portalen insgesamt nicht mehr vermittelt wird und sie somit auf sämtliche Inhalte der Portale n...