Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch, Berufung, Sittenwidrigkeit, Revision, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Erstattung, Fahrzeug, Feststellung, Vertragsschluss, Software, Kenntnis, Beweislast, Bank, Zug um Zug, Erstattung des Kaufpreises, Darlegungs- und Beweislast

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 17.02.2022; Aktenzeichen 43 O 2157/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.02.2020, Az. 43 O 2157/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 30.992,92 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2019 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A1, FIN ... zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Insoweit als die Klagepartei ihre Berufung zurückgenommen hat, ist sie ihrer Rechte aus der Berufung verlustig.

Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Berufung der Klagepartei zurückgewiesen.

III. Die Klagepartei hat von den Kosten des Rechtsstreits 32%, die Beklagte 68% zu tragen.

IV. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts Ingolstadt in der Fassung, die es in Ziffern I.1 bis 1.2 erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.

Die Klagepartei erwarb am 25.09.2014 zu einem Preis von 36.400,01 EUR brutto von einem Dritten einen Neuwagen Audi A1 Ambition Sportback 2.0 TDI (Anlage K1). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 10 km. Der Kläger finanzierte den Kauf bei der D. A. bank.

Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung "unzulässige Abschalteinrichtung". Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrtbundesamt freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate am 15.03.2017 aufspielen.

Vorgerichtlich forderte die Klagepartei mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2018 die vollständige Kaufpreiserstattung abzüglich einer Nutzungsentschädigung (ohne Benennung der Kilometerleistung) Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie die Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung unter Fristsetzung bis zum 29.11.2018.

Die Klage vom 23.11.2018 ging beim Landgericht Ingolstadt am 17.12.2018 ein. Die Klagepartei wurde unter dem 20.12.2018 (Bl. 64/66 d.A.) vom Landgericht zur Einzahlung des Vorschusses aufgefordert. Diese erfolgte am 11.01.2019 (vgl. Kostenbeleg I). Aufgrund Verfügung vom 16.01.2019 (Bl. 67/68 d.A.) wurde die Klage der Beklagten am 23.01.2019 zugestellt. Die Klagepartei forderte zuletzt in erster Instanz die Erstattung des vollständigen Kaufpreises (36.400,00 EUR) nebst Finanzierungskosten, die sich behauptetermaßen auf insgesamt 2.562,12 EUR belaufen hätten (Anlagen K1a und K20), und Deliktszinsen aus dem Klagebetrag in Höhe von 4% für den Zeitraum vom 26.09.2018 bis 30.11.2018 sowie Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Klagebetrag seither Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.434,74 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2018.

Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage mit Urteil vom 17.02.2020, Az. 43 O 2157/18, teilweise zugesprochen; es hat verurteilt zur Zahlung in Höhe von 30.001,84 EUR nebst Verzugszinsen hierau...

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