Leitsatz (amtlich)
Ein individuell vereinbarter Haftungsausschluss im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Überlassung eines Pferdes für einen Ausritt stellt keinen unzulässigen Vertrag zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse des verunfallten Reiters dar.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt als gesetzliche Krankenkasse der am 02.08.1993 geborenen Zeugin H. vom Beklagten als Halter des Reitpferdes "Gonzo" die Erstellung der Heil- und Pflegekosten, die durch den Reitunfall vom 24.03.2012 entstanden sind.
Die Zeugin H. unternahm mit dem ihr vom Beklagten unentgeltlich überlassenen Reitpferd "Gonzo" am 23.04.2012 einen Ausritt ins Gelände. Als "Gonzo" scheute, stürzte sie vom Pferd, wobei sie sich eine Sprunggelenksfraktur zuzog, die operativ versorgt werden musste.
Der Beklagte lehnte eine Haftung mit der Begründung ab, dass er mit der Zeugin H. mündlich vereinbart habe, dass der Ausritt auf eigene Gefahr erfolge und dass er nicht hafte, wenn sie vom Pferd falle.
Das LG Passau wies die Klage mit der Begründung ab, dass ein Gefälligkeitsverhältnis vorgelegen habe und dass der Beklagte mit der Zeugin H. wirksam einen Haftungsausschluss vereinbart habe.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass kein wirksamer Haftungsausschluss vereinbart worden sei, weil die Vereinbarung zu vage formuliert gewesen sei und außerdem einen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle. Ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter liege vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen solle.
Sie hat deshalb beantragen lassen, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 17.419,95 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 1.100,51 zu bezahlen, und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr den künftigen Schaden zu erstatten, der ihr aus dem Reitunfall ihrer Versicherungsnehmerin H., geboren am 02.08.1993, vom 23.04.2012 entsteht.
Der Beklagte, der von einem wirksamen Haftungsausschluss ausgeht, hat die Zurückweisung der Berufung beantragen lassen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung wird auf sämtliche Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten samt Anlagen sowie auf das erstinstanzliche Sitzungsprotokoll und auf das erstinstanzliche Endurteil Bezug genommen.
Die Prozessbevollmächtigten der Parteien haben sich mit den Schriftsätzen vom 22.02.2016 bzw. vom 04.03.2016 für ihre Mandanten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 08.03.2016 ist Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet worden.
II. Die zulässige Berufung führt nicht zum Erfolg, da das Berufungsgericht wie das LG Passau von einem wirksamen Haftungsausschluss ausgeht, weshalb keine Ansprüche gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind.
Ein Haftungsausschluss ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Überlassung eines Reitpferdes für einen Ausritt grundsätzlich zulässig (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Auflage, Rn. 11 zu § 833 BGB m.w.N.).
Der Bundesgerichtshof lässt die Annahme eines konkludent vereinbarten Haftungsausschlusses dann zu, wenn die Überlassung des Reitpferdes unentgeltlich aus reiner Gefälligkeit erfolgt ist (vgl. BGH NJW 1977, 2158).
Im vorliegenden Fall ist das Pferd "Gonzo" der Zeugin H. unstreitig aus reiner Gefälligkeit unentgeltlich für einen Ausritt überlassen worden, so dass allein deshalb schon ein Haftungsausschluss anzunehmen wäre.
Der Beklagte hat hier jedoch mit der volljährigen und damit vollgeschäftsfähigen Zeugin H. individuell einen Haftungsausschluss mündlich vereinbart. Eine solche Vereinbarung hat die Zeugin H. bei ihrer Einvernahme vor dem LG Passau am 02.11.2015 bestätigt. Sie hat bekundet, dass sie vereinbarungsgemäß den Ausritt auf "eigene Gefahr" unternommen habe sowie dass zwischen ihr und dem Beklagten klar gewesen sei, dass er mangels einer Versicherung für Schäden aus Reitunfällen eine Haftung ablehne, wenn sie sich beim Ausritt verletze.
Die ebenfalls am 02.11.2015 vor dem LG Passau einvernommenen Zeuginnen B. und S. haben übereinstimmend angegeben, dass der Beklagte mit jeder Person, der er unentgeltlich ein Pferd für einen Ausritt überlasse, mündlich einen Haftungsausschluss vereinbare. Dies geschehe üblicherweise so, dass der Beklagte sage, jeder Sturz vom Pferd gehe "auf die Kappe" des Reiters und er übernehme keine Haftung, weil er keine Versicherung für Schäden aus Reitunfällen habe.
Das Berufungsgericht hat wie das LG Passau keine Zweifel an der Richtigkeit dieser übereinstimmenden Zeugenaussagen, die in sich schlüssig und gut nachvollziehbar sind.
Die Richtigkeit dieser Zeugenaussagen ist auch von der Klägerseite nicht in Zweifel gezogen worden.
Wie das LG Passau ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass diese individuell getroffene mündliche Vereinbarung über einen Haftungsausschluss ausreichend bestimmt gewesen ist. ...