Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrbahn, Haftungsverteilung, Abbiegevorgang, Berufung, Revision, Kollision, Unfallhergang, Unrichtigkeit, Beweisaufnahme, Fahrer, Kostenpauschale, Verfahren, abbiegen, Tatsachenfeststellung, konkreter Anhaltspunkt, Fortbildung des Rechts, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 21.08.2020; Aktenzeichen 17 O 11012/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers vom 28.09.2020 wird das Endurteil des LG München I vom 21.08.2020 (Az. 17 O 11012/19) in Nr. 1 und Nr. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 2.820,28 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.
I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Verstoß des klägerischen Fahrzeugführers gegen § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO sowie einen Verstoß des Beklagten zu 2) gegen §§ 1 Abs. 2, 5 Abs. 1, Abs. 7 StVO angenommen, obwohl der streitgegenständliche Unfall aufgrund der umfassend und sorgfältig durchgeführten Beweisaufnahme nicht aufklärbar war. In der Folge hieraus hat das Erstgericht zu Unrecht eine Haftungsverteilung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Klägers vorgenommen. Angesichts der Unaufklärbarkeit des Unfallherganges ist vorliegend nur eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 angemessen, so dass die Berufung weit überwiegend Erfolg hat.
1. Dem Erstgericht ist kein Fehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen.
Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden bzw. sonst ersichtlich sind.
Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. BGH VersR 2005, 945; Senat, Urt. v. 9.10.2009 - 10 U 2965/09 [juris] und v. 21.6.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a. a. O.); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a. a. O.; Senat, a. a. O.). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist vorliegend nicht gegeben.
Dem Senat ist es jedoch nicht verwehrt, auf der Grundlage der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen ergänzende, das angefochtene Urteil weiter rechtfertigende oder berichtigende Erwägungen anzustellen (OLG Stuttgart VRS 122 [2012] 340; OLG Düsseldorf v. 10.4.2012 - 2 U 3/10 [juris]; OLG Köln v. 20.4.2012 - 5 U 139/11 [juris]; KG RdE 2013, 95; OLG Koblenz VersR 2013, 708; OLG Hamm VersR 2013, 604). Dies zugrunde gelegt, nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene ausführlich und sorgfältig begründete Entscheidung des LG München I Bezug.
Ergänzend ist vorliegend zu beachten, dass das Erstgericht auch nach einer sorgfältig durchgeführten Beweisaufnahme nicht klären konnte, wie weit das Klägerfahrzeug vor dem streitgegenständlichen Abbiegevorgang nach rechts auf die linke Fahrbahn gekommen ist. Das Erstgericht bildete sich insoweit rechtsfehlerhaft die dahingehende Überzeugung, dass das Klägerfahrzeug "jedenfalls ein Stück auf die linke Fahrbahn fuhr". Nicht geklärt werden konnte allerdings, ob das Klägerfahrzeug hierbei entsprechend den Angaben des Beklagten zu 2) und des Zeugen C. und entgegen der Angaben der Zeugen O. und L. vollständig auf die linke Fahrbahn gefahren ist. Auch der Sachverständige Dipl.-Ing. A., dessen hervorragende Sachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, konnte diesbezüglich aufgrund der Fahrzeugbeschädigungen lediglich feststellen, dass das Klägerfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision noch kaum nach rechts abgebogen war, da ein flacher Kollisionswinkel vorgelegen hat (vgl. S. 8 des Prot. der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2020, Bl. 45 d. A.). Zu einer näheren Aufklärung hinsichtlich der Frage, wie weit das Klägerfahrzeug vor dem streit...