Leitsatz (amtlich)
1. Schutzgegenstand des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist auch der "gute Ruf" eines Unternehmens, das unternehmerische Ansehen, und dieses wird maßgeblich durch Bewertungen auf Bewertungsportalen mitbestimmt, so dass in einer Löschung von positiven Bewertungen auch ein Eingriff in den Schutzbereich liegen kann.
2. Der Portalbetreiber ist nicht verpflichtet, offenzulegen, wie der von ihm eingesetzte Algorithmus zum Aufspüren verdächtiger, also nicht "authentischer", sondern vom Arzt beeinflusster Bewertungen funktioniert. Hierbei handelt es sich um ein nicht zu offenbarendes Geschäftsgeheimnis des Portalbetreibers, denn wenn dem Verkehr dies bekannt würde, würden seitens der Ärzte bzw. seitens von diesen beauftragten Agenturen Umgehungsmöglichkeiten entwickelt und der Portalbetreiber würde durch die Offenlegung sein eigenes Geschäftsmodell gefährden.
3. Eine (sekundäre) Darlegungslast hinsichtlich der Löschung von positiven Bewertungen trifft den Portalbetreiber erst dann, wenn der Bewertete konkrete Anhaltspunkte dafür vorträgt und ggf. unter Beweis stellt, dass die Löschung nicht aufgrund eines begründeten Verdachts hinsichtlich der Validität der Bewertungen erfolgt ist, sondern entweder willkürlich oder aus sachfremden Gründen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 33 O 6880/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.04.2019 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Wiederveröffentlichung von positiven Nutzerbewertungen auf deren Ärztebewertungsprotal sowie Ersatz vorgerichtlicher Kosten.
Der Kläger ist Zahnarzt und auf die Behandlung der [...] spezialisiert. Seine Patienten kommen aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus dem Ausland. Der Kläger ist wirtschaftlich in hohem Maße von einer positiven Darstellung im Internet abhängig.
Die Beklagte betreibt unter www.jameda.de ein weithin bekanntes Internetbewertungsportal, über das die Möglichkeit besteht, öffentlich Bewertungen über die Besuche bei Ärzten, Zahnärzten und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen abzugeben. In ihrer Außendarstellung legt die Beklagte größten Wert auf die Qualität und Authentizität der auf ihrem Internetportal veröffentlichen Bewertungen (vgl. Internetausdrucke, Anlage K 1).
Auch der Kläger ist im Bewertungsportal der Beklagten verzeichnet. Bis zum 28.12.2017 hatte der Kläger auf dem Portal der Beklagten insgesamt 60 Bewertungen und eine Gesamtnote von 1,5 erhalten.
Bis Ende des Jahres 2018 war der Kläger Vertragspartner der Beklagten ("Premiumkunde") und nahm das "Premium-Paket Gold" in Anspruch (vgl. Leistungsbeschreibung, Anlage K 3). Dieser Status erlaubte es dem Kläger, sein - auch ohne diesen Vertrag bestehendes - Basisprofil auszugestalten. Mit Schreiben vom 10.01.2018 kündigte der Kläger das "Premiumpaket Gold" zum Ende des Jahres 2018. Im Zeitraum 11. bis 18.01.2018 löschte die Beklagte, ohne dies dem Kläger anzukündigen oder diesem gegenüber zu begründen, zehn zu Gunsten des Klägers abgegebene Bewertungen der Arbeit des Klägers aus ihrem Portal (vgl. Screenshot mit Stand 11.01.2018, Anlage K 6a und Screenshot mit Stand 18.01.2018, Anlage 6b). Bis zum Zeitpunkt der Löschung hatten sich die Bewertungen bis zu zwei Jahre unbeanstandet im Bewertungsportal der Beklagten befunden.
Auch bereits vor dem 11.01.2018 sind einige positive Bewertungen des Klägers seitens der Beklagten gelöscht worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.02.2018 ließ der Kläger die Beklagte zur Wiederveröffentlichung der zehn gelöschten Bewertungen auffordern, was die Beklagte ablehnte.
Der Kläger meint, die Beklagte habe nicht substantiiert dazu vorgetragen, weshalb sie die Bewertungen gelöscht habe. Die Beklagte gebe als Ergebnis ihres "Prüfsystems" - so denn überhaupt ein solches existiere - zu erkennen, dass sie gleichermaßen positive wie negative Bewertungen lösche, ohne die Kriterien der endgültigen Entscheidung des Qualitätsmanagementsystems offenzulegen oder auch nur ansatzweise zu beschreiben. Der Kläger sehe sich damit dem begründeten Verdacht der Willkür ausgesetzt.
Indem die Beklagte die streitgegenständlichen zehn Bewertungen sachgrundlos gelöscht habe, habe sie sowohl eine vertragliche Nebenpflicht als auch das Recht des Klägers an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Die willkürliche Löschung sei auch unlauter, weil sie gemäß § 5 UWG irreführend sei.
Die Beklagte führt aus, sie habe nachweislich keinerlei Bewertungen des K...