Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung, Widerspruchsrecht, Versicherungsnehmer, Rechtsmißbrauch, Ausübung des Rücktrittrechtes, Rücktrittsrecht, Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, Unzulässige Rechtsausübung, Versicherungsvertrag, Lebensversicherungsvertrag, Umstandsmoment, Widerspruchsbelehrung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Lebensversicherungsrichtlinie, Rechtshängigkeit, Landgerichte, Fondsgebundene Lebensversicherung, Kostenentscheidung, Versicherungsvermittler, Sicherheitsleistung
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 22.04.2022; Aktenzeichen 10 O 2094/21 Ver) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 22.04.2022, Az. 10 O 2094/21 Ver, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch die Beklagte abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten einen Rückabwicklungsanspruch hinsichtlich einer fondsgebundenen Lebensversicherung geltend.
Der Kläger, ein Versicherungsvermittler, hat bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Policenmodell einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung mit der Nummer ..., Versicherungsbeginn 01.04.2000 abgeschlossen. Den Vertrag hat er sich selbst vermittelt. Vereinbart war zunächst eine monatliche Prämie von 66,47 EUR (130 DM) bei einer Versicherungs- und Beitragszahlungsdauer von 35 Jahren. Mit Wirkung zum 01.07.2000 wurde die Versicherung um eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erweitert bei einem monatlichen Beitrag von zunächst 107,63 EUR (210,50 DM). Insgesamt zahlte der Kläger 26.809,33 EUR ein.
Der als Anlage K 1 vorgelegte Versicherungsschein vom 07.04.2000 enthielt im letzten Absatz, fettgedruckt, eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, allerdings ohne Hinweis auf die Textform. Hinsichtlich der Formulierung und drucktechnischen Gestaltung wird auf die Anlage K 1, hinsichtlich der mit übersandten Informationen auf die Anlage BLD1 verwiesen.
Während der Vertragslaufzeit informierte sich der Kläger umfassend und veranlasste mehrfach Änderungen der Anlagestrategie. Insbesondere beantragte er im Juni 2000 den Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, was die Beklagte mit Schreiben vom 10.08.2000 bestätigte (Anlagen B 3 und 4). Unter dem 18.12.2003 trat der Kläger die Ansprüche aus der streitgegenständlichen Versicherung an die ... Lebensversicherung a.G. ab (Anlage B 8), die im Juni 2005 von der ... wieder freigegeben wurde (Anlage B 9). Zudem veranlasste der Kläger im Jahr 2011 einen Fondswechsel (Anlagen B 12-14). Hinsichtlich der verschiedenen Nachfragen und Anträge wird auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts (LGU) verwiesen.
Der Kläger kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 28.01.2021 (Anlage B 21). Die Beklagte rechnete den Vertrag mit Wirkung zum 01.03.2021 ab und zahlte einen Rückkaufswert in Höhe von 27.901,30 EUR aus.
Mit Schreiben vom 11.03.2021 (Anlage K 2) erklärte der Kläger den Widerspruch gegen den Vertrag, die Beklagte wies den Widerspruch mit Schreiben vom 02.08.2021 (Anlage B 23) zurück.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zahlung weiterer 15.439,36 EUR sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Er ist der Auffassung, er habe dem Vertrag wirksam widersprochen. Die Widerspruchsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, insbesondere weise sie nicht auf die Textform hin. Verwirkung sei nicht eingetreten.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten. Sie trägt vor, die Belehrung sei ordnungsgemäß gewesen. Die fehlende Belehrung über die Form sei unschädlich. Im Übrigen sei der Anspruch verwirkt. Auch zur Höhe sei der Vortrag der Klagepartei unschlüssig.
Hinsichtlich der festgestellten Tatsachen im Übrigen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 22.04.2022 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Die Widerspruchsbelehrung sei im Hinblick auf den fehlenden Hinweis auf die Textform und die nicht hinreichende Hervorhebung nicht ordnungsgemäß, der Widerspruch sei aber verwirkt.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe fehlerhaft Verwirkung bejaht. Die Rechtsprechung des BGH zur Verwirkung sei nach der Entscheidung des EuGH vom 09.09.2021, C-33/20, C-155/20, C-187/20, überholt. Es bedürfe für die Verwirkung eines subjektiven Elements, das hier offensichtlich nicht vorliege. Bei den im Urteil aufgeführten Vertragsänderungen handle es sich sämtlich um normale Vertragsdurchführung.
Hinsichtlich des Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 16.05.2022, Bl. 119 ff d.A. Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das am 22.04.2022 verkündete Urteil des Landge...