Entscheidungsstichwort (Thema)

Umgangsrecht: Notwendigkeit der Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Verfahrenspfleger ist dem Kind zu bestellen, wenn die allein sorgeberechtigte Kindesmutter den Antrag des Kindesvaters auf Umgang ablehnt, obwohl das Kind den Kindesvater noch nie gesehen hat.

 

Normenkette

FGG § 50; BGB § 1684; GG Art. 6 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 24.09.2008; Aktenzeichen 2 F 136/07)

 

Tenor

Auf die befristete Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG - FamG - Merseburg vom 24.9.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das FamG zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin nahmen in der ersten Hälfte des Jahres 2006 eine nichteheliche Beziehung auf. Kurz danach wurde die Antragsgegnerin schwanger. Im Juli 2006 nahm sie eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann, nämlich M. M., auf. Im November 2006 trennte sie sich endgültig vom Antragsteller und zog zu ihrer Mutter. Am 9.2.2007 brachte sie das Kind N. zur Welt, das seitdem in ihrer Obhut lebt. Zu Umgangskontakten zwischen dem Antragsteller und seinem Kind kam es zu keiner Zeit. Am 2.8.2008 heiratete die Antragsgegnerin ihren Lebensgefährten M. M.. Seit September 2008 besucht das Kind eine Kindereinrichtung.

Am 26.3.2007 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangs mit seinem Kind eingereicht. Mit Urteil des FamG vom 7.11.2007 wurde die Vaterschaft des Antragstellers - rechtskräftig - festgestellt (Vorprozess 2 F 137/07 AG Merseburg). Im Umgangsrechtsverfahren hat das FamG das Jugendamt angehört und, ohne dem Kind einen Verfahrenspfleger zu bestellen, am 8.9.2008 mit den Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern sowie mit der Kindesmutter mündlich verhandelt; zwar war auch das persönliche Erscheinen des Kindesvaters angeordnet, er erschien zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht. Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat das FamG den angefochtenen Beschluss erlassen, mit dem der Antrag des Antragstellers als unbegründet "zurückgewiesen" worden ist.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller befristete Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige befristete Beschwerde des Antragstellers (§ 621e ZPO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht nur an Verfahrensfehlern leidet, sondern auch in der Sache einer Überprüfung nicht standhält:

1. Das FamG durfte nicht ohne vorherige persönliche Anhörung des Kindesvaters (§ 621a ZPO i.V.m. § 50a FGG) entscheiden; von einer persönlichen Anhörung durfte nicht abgesehen werden, weil der Kindesvater trotz angeordneten persönlichen Erscheinens nicht zum Termin erschienen ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 50a Rz. 16 m.w.N.).

Verfahrensfehlerhaft war es auch, dass dem Kind kein Verfahrenspfleger bestellt worden ist. Ein Verfahrenspfleger (§ 50 FGG) ist einem Kind stets zu bestellen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die "Möglichkeit" besteht, dass ein sorgeberechtigter Elternteil - wie hier die allein sorgeberechtigte Kindesmutter (§ 1626a Abs. 2 BGB) - die Interessen des Kindes nicht sachgerecht vertritt. Diese Möglichkeit ist hier schon deshalb nicht auszuschließen, weil die Kindesmutter, obgleich der Kindesvater sein Kind noch nie gesehen hat, in der mündlichen Verhandlung vom 8.9.2008 beantragt hat, dass der Antrag des Kindesvaters "zurückgewiesen" wird. Ein Kind hat nämlich ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern, und zwar gerade auch dann, wenn ein Elternteil nicht das Sorgerecht hat (§ 1684 BGB). Anderenfalls wird es seiner "Wurzeln" beraubt (vgl. EuGHMR FamRZ 2004, 1456).

2. Auch in der Sache hält die angefochtene Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:

Das FamG hat den Umgang des Kindesvaters mit seinem Kind zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, es hat jedoch eine gerichtliche Regelung des Umgangs abgelehnt. Durch die Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Regelung des Umgangs tritt ein Zustand ein, der weder für die Beteiligten zumutbar erscheint noch dem verfassungsrechtlichen Schutz gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils steht. Denn durch eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, bleibt das Umgangsrecht nur scheinbar "unberührt". Der umgangsberechtigte Elternteil weiß nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist. Ohne Entscheidung ist er auf die willkürliche Gewährung eines Umgangs durch den Inhaber der alleinigen elterlichen Sorge angewiesen, eine Rechtsfolge, gegen die der BGH schon wiederholt Bedenken geäußert hat (vgl. u.a. BGH, FamRZ ...

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