Leitsatz (amtlich)
Ist die Erbausschlagung der sorgeberechtigten Eltern für ihr minderjähriges Kind nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB genehmigungsfrei, bedarf es keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers für das minderjährige Kind, mit Blick auf eine mögliche Beschwerde des Kindes auch nicht unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung, da § 41 Abs. 3 FamFG in dieser Fallkonstellation nicht greift.
Verfahrensgang
AG Gardelegen (Beschluss vom 14.12.2011; Aktenzeichen 5 F 148/11 RE) |
AG Gardelegen (Beschluss vom 16.11.2011; Aktenzeichen 5 F 148/11 RE) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Ergänzungspflegerin werden die Beschlüsse des AG - Familiengerichts - Gardelegen vom 16.11.2011 (Anordnung der Ergänzungspflegschaft) und 14.12.2011 (Auswahl und Bestellung der Ergänzungspflegerin), Aktenzeichen jeweils 5 F 148/11, aufgehoben.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, im Übrigen tragen die Beteiligten ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
4. Eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beschwerde der Ergänzungspflegerin gegen die aus der Beschlussformel ersichtlichen Beschlüsse des AG - Familiengerichts - Gardelegen ist zulässig (1), und auch in der Sache begründet (2).
1. Die Beschwerde der Ergänzungspflegerin ist statthaft. Denn die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Ziel der Vertretung des Kindes im Verfahren auf Genehmigung einer Erbausschlagung ist eine Endentscheidung, mit der das entsprechende Verfahren abgeschlossen wird. Dagegen findet gem. §§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Beschwerde statt (OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1069; OLG Köln, FamRZ 2012, 42).
Darüber hinaus sind auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 58 ff. FamFG gegeben, ist doch die zur Ergänzungspflegerin bestellte Rechtsanwältin als Betroffene beschwerdeberechtigt. Zudem ist die Beschwerde auch fristgerecht in der gesetzlich vorgeschriebenen Monatsfrist des § 61 Abs. 1 FamFG eingelegt worden.
2. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Das AG - Familiengericht - Gardelegen hat nämlich im Entscheidungsfall den betroffenen Kindern J. und A. K. zu Unrecht eine Ergänzungspflegerin bestellt. Denn die sorgeberechtigten Kindeseltern sind nicht daran gehindert, ohne familienrechtliche Genehmigung auch die Erbschaft für ihre beiden minderjährigen Kinder auszuschlagen (a), und mangels Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung der von den Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder erklärten Erbausschlagung war auch hier nicht ausnahmsweise wegen einer etwaig noch den Kindern persönlich zuzustellenden gerichtlichen Entscheidung gem. § 40 Abs. 3 FamFG das Erfordernis einer Ergänzungspflegerbestellung gegeben (b).
a) Grundsätzlich bedürfen Eltern zu Rechtsgeschäften für das Kind der Genehmigung des Familiengerichts in denjenigen Fällen, in denen nach § 1821 BGB und nach § 1822 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 8 und Nr. 11 BGB ein Vormund der Genehmigung bedarf, § 1643 Abs. 1 BGB. Dies gilt nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB auch für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie für den Verzicht auf einen Pflichtteil. Von dieser familiengerichtlichen Genehmigungspflicht ausgenommen ist aber nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB der Fall, dass der Anfall der Erbschaft an das Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils eintritt, der das Kind allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil vertritt, es sei denn, dieser wäre neben dem Kinde zum Erben berufen gewesen. Grund für diese Genehmigungsfreiheit ist, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen, wo das Kind erst durch die Erbausschlagung eines Elternteils selbst zum Erben wird, regelmäßig kein Interessenkonflikt vorhanden sein wird, da der ausschlagende Elternteil regelmäßig die Vor- und Nachteile, das Für und Wider der Erbausschalung schon für sich selbst wird wohl abgewogen haben und zum anderen sollten deshalb die Nachlassgerichte von ihrer ansonsten bestehenden Prüfungspflicht entbunden werden (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2012, 664, 665 m.w.N.) Hinzu kommt, dass die Ausnahme von § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB sich auch darauf stützt, dass das Erbrecht der Kinder nur dadurch anfällt, dass der vorrangig zum Erben berufene Elternteil sein Erbe ausschlägt. Würde dieser aber die Erbschaft annehmen, dann hätten die nachrangigen Kinder keinerlei Rechte an dem Nachlass, sondern dieser stünde in der rechtlichen Verfügungsgewalt des Erben, der seinen Erbteil belasten, verkaufen oder sogar verschenken könnte (OLG Köln, DNotZ 2012, 855 ff. m.w.N.).
Im Entscheidungsfall war der Kindesvater Miterbe nach seiner Großmutter L. O., die am 15.1.2011 verstorben war. Mit Datum vom 22.3.2011 erklärte der Kindesvater, nachdem er erst am 17.2.2011 Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten hatte, zu Protokoll des AG - Nachlassgerichts - Gardelegen zunächst für seine Person d...