Leitsatz (amtlich)
Hat eine beklagte Fluggesellschaft keinen Sitz innerhalb eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, folgt die internationale Zuständigkeit deutschem Recht (Art. 4 Abs. 1; 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)). Der Zielflughafen ist nach deutschem Recht einer der Erfüllungsorte der von der beklagten Fluggesellschaft eingegangenen Beförderungspflicht. Dort findet sich aber auch der Erfüllungsort des Reisevertrages der Kläger mit dem Reisebüro. Hieraus folgt ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand und für eine gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist kein Raum.
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Aktenzeichen 8 C 788/12) |
Tenor
Der auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit gerichtete Antrag des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert entspricht der Gebührenstufe bis 600 EUR.
Gründe
I. Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei der Beklagten zu 1. eine Südostasienreise, die mit Ausnahme des von der Beklagten zu 2. übernommenen Rückfluges problemlos verlief. Am 17.4.2010 gelangten die Reisenden nicht von Dubai nach München, weil der Luftraum über Deutschland gesperrt war. Mehrere Tage mussten der Kläger und seine Ehefrau in Dubai ausharren, bevor es ihnen gelang, nach Wien zu fliegen und von dort mit dem Bus München zu erreichen. Hieraus leitet der Kläger, teils aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, Minderungs-, Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche her. Die Beklagte zu 2. wird neben der Beklagten zu 1. für zusätzliche Unterkunfts-, Telefon- und Busreisekosten auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Für die Klage hat der Kläger das AG Wittenberg am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zu 1. gewählt. Nachdem die Beklagte zu 2. die örtliche Zuständigkeit rügte, beantragt der Kläger die Bestimmung des zuständigen Gerichts.
II. Die Zuständigkeitsbestimmung ist abzulehnen. Wenn die deutschen Gerichte für eine gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage international zuständig wären, die Beklagte zu 2. mithin in Deutschland unter einem besonderen Gerichtstand verklagt werden könnte und sonach grundsätzlich der Weg einer gerichtlicher Zuständigkeitsbestimmung offen stünde, besäßen die Beklagten einen gemeinsamen besondere Gerichtsstand des Erfüllungs-, hier Bestimmungs- oder Ankunftsortes, der ein Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließt.
Für die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit muss die Beklagte zu 2. keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland haben. Es genügt ein inländischer besonderer Gerichtsstand (BGH NJW 1988, 646). Dieser ist auch für die notwendige internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte festzustellen (BGH NJW 1980, 2646; BayObLG DB 2003, 819) und nach dem Klagevorbringen nur aus dem Erfüllungsort der Beförderungsleistung herzuleiten.
Auf Art. 33 des Montrealer Übereinkommens (MÜ) kommt es dabei eher nicht an. Der Gerichtsstand bezieht sich nur auf die im Abkommen geregelten Schadensersatzansprüche für Tod und Körperverletzung des Reisenden sowie die Beschädigung von Reisegepäck und Gütern. Darüber hinaus kann am Bestimmungsort i.S.v. Art. 33 Abs. 1 MÜ noch der Verspätungsschaden nach Art. 19 Satz 1 MÜ geltend gemacht werden. Die Verspätung umfasst nach Auffassung des BGH allerdings nicht die Annullierung des Fluges (BGH NJW 2011, 2056; a.A. mglw. EuGH NJW 2011, 3776 [3777]).
Da die Beklagte zu 2. im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union keinen "Wohnsitz" hat, folgt die internationale Zuständigkeit deutschem Recht (Art. 4 Abs. 1; 60 Abs. 1 EuGVVO). Maßgebend sind die §§ 12 ff. ZPO, von denen nach dem Klagevorbringen nur der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) in Betracht kommt. Es spricht viel dafür, dass der Kläger auch gegen die Beklagte zu 2. vertragliche Ansprüche verfolgt. Für die gerichtliche Zuständigkeit kommt es auf die streitige Verpflichtung und nicht den daraus hergeleiteten eingeklagten Anspruch an (BGH NJW 2011, 2056 [2058]; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rz. 20). Der Kläger weiß und setzt voraus, die Beklagte zu 2. nicht selbst beauftragt zu haben. Dies hat die Beklagte zu 1. getan. Aus der vertraglichen Beziehung der Beklagten leitet der Kläger seinen Anspruch auf die Beförderungsleistung her, den er nicht erfüllt sieht. Verträge mit Reiseveranstaltern sind im Zweifel Verträge zugunsten Dritter, die dem Reisenden ein unmittelbares Recht gegen die Fluggesellschaft auf Beförderung verleihen. Im Streit steht damit eine konkrete Vertragspflicht, was den Gerichtsstand des Erfüllungsortes eröffnet (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 29 Rz. 7).
Der vertragliche Erfüllungsort richtet sich für jeden Hauptanspruch nach dem Vertragsstatut. Die zwischen den Beklagten vereinbarte Beförderung des Klägers und seiner Ehefrau regelt mangels Rechtswahl das deutsche materielle Recht (Art. 5 Abs. 2 Satz 1; 1 Abs...