Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einem Rechtsstreit in II. Instanz, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO auf die mündliche Verhandlung verzichtet, so fällt nach Nr. 3202 Abs. 1 i.V.m. Nr. 3104 Abs. 1 Ziff. 1 RVG-VV eine Terminsgebühr an. Die Terminsgebühr gehört auch dann zu den "Kosten des Rechtsstreits", wenn in dem Vergleich ein bisher nicht rechtshängiger Anspruch einbezogen wird.
2. Treffen die Prozessparteien in einem Vergleich eine Kostenregelung hinsichtlich der" Kosten des Rechtsstreits" einerseits und der "Vergleichsgebühr" andererseits, so bezieht sich die letztgenannte Bestimmung bei Fehlen abweichender Anhaltspunkte auf die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 13.04.2010; Aktenzeichen 36 O 240/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss II. Instanz der Rechtspflegerin des LG Magdeburg vom 13.4.2010 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die von der Beklagten an die Klägerin auf Grund des Beschlusses des OLG Naumburg vom 26.11.2009 zu erstattenden Kosten werden auf 3.164,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 730,60 EUR seit dem 7.12.2009 und auf weitere 2.433,70 EUR seit dem 15.1.2010 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.335,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.4.2010 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an die Klägerin für die zweite Instanz zu erstattenden Kosten auf 1.828,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.12.2009 auf einen Betrag von 730,60 EUR und seit dem 15.1.2010 auf einen Betrag von 1.098,20 EUR festgesetzt.
Der Kostenerstattung liegt ein Prozessvergleich zugrunde, dessen Zustandekommen der 10. Zivilsenat des OLG durch Beschluss vom 26.11.2009 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt hat. In dem Vergleich haben sich die Parteien sowohl über die in dem Rechtsstreit geltendgemachte Klageforderung i.H.v. 20.880 EUR (Lizenzgebühren für 2006) als auch über bis dahin nicht rechtshängige Ansprüche i.H.v. 42.820 EUR (Lizenzgebühren für 2007 und 2008) verständigt. Hinsichtlich der Kosten heißt es u.a. in Ziff. 2 Satz 2 des Vergleichs:
"Die Kosten für das Berufungsverfahren trägt die Beklagte und Berufungsklägerin, mit Ausnahme der Vergleichsgebühr, diese trägt jede Partei selbst."
In Anbetracht dieser Kostenregelung hat die Rechtspflegerin bei der Festsetzung lediglich eine Verfahrens- sowie eine Terminsgebühr nach einem Gegenstandswert von 20.880 EUR berücksichtigt und die Erstattung darüber hinausgehender Gebühren nach einem Gegenstandwert von insgesamt 63.700 EUR abgelehnt.
Gegen diesen ihr am 26.4.2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.4.2010, der am 4.5.2010 beim LG eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat, entsprechend ihrem Schriftsatz vom 14.1.2010, die Festsetzung von der Beklagten zu erstattender Kosten i.H.v. insgesamt 3.164,30 EUR begehrt. Die Rechtspflegerin hat in ihrem Beschluss vom 2.6.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 103 Abs. 3 S. 1 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattende 1,6 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 RVG-VV und die 1,2 Terminsgebühr gem. Nr. 3202 RVG-VV berechnen sich jeweils nach einem Gegenstandswert von 63.700, - EUR, so dass zugunsten der Klägerin eine Erstattungsforderung i.H.v. insgesamt (1.796,80 + 1.347,50 + 20 =) 3.164,30 EUR festzusetzen ist.
1. Der Ermittlung sowohl der Verfahrensgebühr als auch der Terminsgebühr zweiter Instanz ist auf Seiten der Klägerin nicht nur der Streitwert für das Berufungsverfahren i.H.v. 20.880 EUR zugrunde zu legen. Maßgebend ist vielmehr der vom 10. Zivilsenat durch Beschl. v. 4.1.2009 - richtig: 4.1.2010 - festgesetzte Gegenstandswert des Prozessvergleichs von 63.700 EUR.
a) Die Verfahrensgebühr entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 2 zu RVG-VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Wenn - wie im vorliegenden Fall - Einigungsgespräche (auch) über Ansprüche stattfinden, die nicht Gegenstand eines laufenden oder beabsichtigten Verfahrens sind, ist die Abgrenzung zwischen der Erteilung eines gerichtlichen und der Erteilung eines außergerichtlichen Auftrages von entscheidender Bedeutung. Für einen Verfahrensauftrag genügt es, dass auch über nirgendwo rechtshängige Ansprüche eine Einigung erreicht werden soll, wenn nur von vornherein die Absicht besteht, diese im Erfolgsfall bei Gericht protokollieren oder gem. § 278 Abs. 6 ZPO feststellen zu lassen (s. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., 3100 VV, Rz. 20; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. VV 3100, Rz. 45; vgl. auch OLG Bremen, Beschl. v. 25.3.2003 - Az.: 3 W ...