Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Alleinzuweisung der Ehewohnung
Leitsatz (amtlich)
Die Alleinzuweisung der Ehewohnung ist nur zulässig, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Das bedeutet nach der Vorstellung des Gesetzgebers zwar eine bewusst hohe, über bloße Unbequemlichkeiten und Billigkeitsabwägungen hinausgehende Eintrittsschwelle für ein gerichtliches Eingreifen. Andererseits ist der Anwendungsbereich nicht auf Sachverhalte unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben des betroffenen Ehegatten beschränkt. Es genügen vielmehr außergewöhnliche Umstände, die auch unter Berücksichtigung des anderen Ehegatten dessen Verbleiben in der Ehewohnung für den betroffenen Ehegatten zur unerträglichen Belastung machen. Dazu rechnet insb. grob rücksichtsloses Verhalten des anderen Ehegatten.
Normenkette
BGB § 1361b; HausrVO § 13; HausrVO § 18a
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Beschluss vom 07.06.2005; Aktenzeichen 4 F 181/05) |
Tenor
1. Die befristete Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Wittenberg vom 7.6.2005 (Az.: 4 F 181/05) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Dem Antragsgegner wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren verweigert.
3. Der Beschwerdewert beträgt 6.000 EUR.
Gründe
1. Die gem. §§ 621e, 621 ZPO zulässige befristete Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet, weil das AG der Antragstellerin zutreffend die Ehewohnung der Parteien zur alleinigen Nutzung zugewiesen hat. Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Darüber hinaus setzt § 1361b BGB für die Alleinzuweisung der Ehewohnung an den antragstellenden Ehegatten voraus, dass für ihn nur durch diese Maßnahme eine unbillige Härte vermieden werden kann. Das bedeutet nach der Vorstellung des Gesetzgebers zwar eine bewusst hohe, über bloße Unbequemlichkeiten und Billigkeitserwägungen hinausgehende Eintrittsschwelle für ein gerichtliches Eingreifen. Andererseits ist der Anwendungsbereich des § 1361b BGB nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, nicht auf Sachverhalte unmittelbarer Gefahr für Leib oder Leben des betroffenen Ehegatten beschränkt. Es genügen vielmehr außergewöhnliche Umstände, die auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten dessen Verbleiben in der Ehewohnung für den betroffenen Ehegatten zur unerträglichen Belastung machen. Dazu rechnet insb. grob rücksichtsloses Verhalten des anderen Ehegatten (OLG Köln v. 9.5.2000 - 4 UF 63/00, FamRZ 2001, 761).
Ein derart rücksichtsloses Fehlverhalten ist dem Antragsgegner hier nach erstinstanzlich erfolgter Anhörung der Zeugen anzulasten. Weil eine Akzeptanz der Trennung nicht besteht, kommt es unstreitig regelmäßig zu heftigen Auseinandersetzungen der Ehegatten, in deren Verlauf der Antragsgegner die Antragstellerin beschimpft und herabwürdigt. Drohungen ggü. der Antragstellerin hat der Antragsgegner zwar bestritten, sind aber vom Zeugen R. derart bestätigt worden, dass der Antragsgegner die Antragstellerin fertig machen will, so dass diese sich ins Wasser stürze.
Ein derart exzessives Verhalten belegt ein hohes Maß an Unbeherrschtheit und Unberechenbarkeit beim Antragsgegner.
Der Umstand allein, dass es bislang noch nicht zu körperlichen Übergriffen gekommen ist, macht die für die Antragstellerin bedrohliche und quälende Situation nicht erträglicher. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Antragstellerin in ständiger Angst und Anspannung auch wegen der Besuche des Antragsgegners lebt, der Antragsgegner könne die Beherrschung verlieren.
Schon angesichts des Fehlverhaltens des Antragsgegners kam auch eine Aufteilung der Ehewohnung nicht in Betracht. Ein weiteres Zusammenleben der Parteien in der ehelichen Wohnung kann nicht mehr verantwortet werden und lässt nach Lage der Dinge keine Befriedung erwarten.
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hat das AG zutreffend am ehesten dem Antragsgegner zugemutet, zur Herstellung der gebotenen räumlichen Trennung der Ehegatten die Wohnung zu verlassen.
Wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie etwa die geringen aber über den der Antragstellerin liegenden Einkünfte des Antragsgegners, rechtfertigen demgegenüber keine andere Beurteilung. Dem kann durch Beantragung von z.B. Wohngeld entgegengewirkt werden.
Abschließend entspricht es billigem Ermessen, dass der mit seiner Beschwerde unterlegene Antragsgegner die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat.
2. Das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren war mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner beabsichtigten Rechtsverfolgung aus den zu Ziff. 1.) genannten Gründen zurückzuweisen (§ 114 ZPO).
3. Der Beschwerdewert folgt dem der ersten Instanz mit 6.000 EUR.
Fundstellen
FamRZ 2006, 1207 |
OLGR-Ost 2006, 307 |
www.judicialis.de 2005 |