Leitsatz (amtlich)
Ein in einem Landpachtvertrag vereinbartes Kündigungsrecht des Verpächters für den Fall, dass der Verpächter oder ein Mitglied seiner Familie beabsichtigt, die Pachtflächen selbst zu bewirtschaften, steht im Zweifel nur dem ursprünglichen Verpächter zu, nicht demjenigen, der bei Veräußerung der Pachtsache als neuer Eigentümer in das Pachtverhältnis eintritt.
Verfahrensgang
AG Stendal (Urteil vom 30.04.2003; Aktenzeichen 4 Lw 5/03) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 30.4.2003 verkündete Urteil des AG - Landwirtschaftsgerichts - Stendal wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision an den BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren von der Beklagten die Herausgabe landwirtschaftlich genutzter Flächen unter Berufung auf ein vertragliches Sonderkündigungsrecht für den Fall des Eigenbedarfs.
Die Beklagte pachtete mit Vertrag vom 1.12./18.11.1996 von einer Erbengemeinschaft Sch. die im Klageantrag näher bezeichneten landwirtschaftlichen Flächen für die Zeit vom 1.10.1996 bis 30.9.2006. In § 9 dieses Pachtvertrages ist u.a. folgendes geregelt:
"Beabsichtigt der Verpächter oder ein Familienmitglied 1. Grades (Ehepartner oder Kinder) seine Flächen selbst zu bewirtschaften, wird eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor dem beabsichtigten Pachtende vereinbart".
Mit dem Vertrag vom 1.12./18.11.1996 wurde ein von der Beklagten mit der Erbengemeinschaft Sch. bereits in den Jahren 1990/1991 geschlossener Pachtvertrag abgelöst, der auf die Dauer von 6 Jahren abgeschlossen worden war. Mit dem Abschluss des neuen Pachtvertrages war eine Erhöhung des Pachtzinses von 3 DM auf 4 DM pro Bodenpunkt für Grünland und eine Erhöhung des Pachtzinses von 4 DM auf 5 DM pro Bodenpunkt für Ackerland verbunden. Der Abschluss des neuen Vertrages beruhte auf einem von der Beklagten vorbereiteten Vertragsentwurf. Hierbei wurde in ein Standard-Vertragsformular das streitgegenständliche Sonderkündigungsrecht eingefügt. Dies geschah auf Wunsch mehrerer anderer Verpächter; um alle Verpächter rechtlich gleich zu stellen, wurde das Sonderkündigungsrecht auch in den mit der Erbengemeinschaft Sch. geschlossenen Pachtvertrag aufgenommen, ohne dass dies zuvor von der Erbengemeinschaft ausdrücklich gewünscht worden war. Eine mündliche Erörterung der Sonderkündigungsklausel mit der Erbengemeinschaft erfolgte nicht. Der Vertrag wurde den Mitgliedern der Erbengemeinschaft vielmehr durch die Beklagte übersandt, von den Erben gegengezeichnet und zurückgeschickt.
Die Kläger haben die verpachteten Flächen von der Erbengemeinschaft Sch. käuflich erworben und sind als Eigentümer dieser Flächen im Grundbuch von H. eingetragen worden. Mit Schreiben vom 21.11.2001 kündigten sie ggü. der Beklagten das Pachtverhältnis unter Berufung auf das vorzitierte Sonderkündigungsrecht in § 9 des Pachtvertrages mit der Begründung, dass sie die Flächen zur Bewirtschaftung ihres Betriebes benötigten.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, das in § 9 des Pachtvertrages vereinbarte Sonderkündigungsrecht räume auch ihnen als nachträglich durch Veräußerung der Pachtsache gemäss §§ 581 Abs. 2, 566 BGB in den Vertrag eingetretenen Verpächtern ein Sonderkündigungsrecht für den Fall des Eigenbedarfs ein. Sie behaupten, die Flächen zur Erweiterung ihres landwirtschaftlichen Betriebes zu benötigen.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Flurstücke Gemarkung H. Flur 2 Flurstück 72, Flur 5 Flurstück 214/121, Flur 1 Flurstück 248/16 und 250/16 sowie Gemarkung H. Flur 5 Flurstück 88/3, 122/1 geräumt zum 1.12.2002 an die Kläger herauszugeben.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben unter Berufung auf das in dem Verfahren 2 U (Lw) 12/00 ergangene Senatsurteil (OLG Naumburg - 2 U (Lw) 12/00) die Ansicht vertreten, das vertraglich vereinbarte Sonderkündigungsrecht gelte nur für den Fall des Eigenbedarfs des ursprünglichen Verpächters, also der Mitglieder der Erbengemeinschaft Sch., und deren Familienmitglieder 1. Grades. Sie bestreiten darüber hinaus die Absicht der Kläger zur Eigenbewirtschaftung.
Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass das vertragliche Sonderkündigungsrecht so auszulegen sei, dass es lediglich für den Fall des Eigenbedarfs des ursprünglichen Verpächters gelte; denn ansonsten verlöre die Vereinbarung einer festen Vertragslaufzeit von 12 Jahren weitgehend ihre Bedeutung.
Gegen dieses den Klägern am 6.5.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 2.6.2003 bei Gericht eingegangene Berufung der Kläger. Die Kläger halten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages an der von Ihnen vertretenen Ansicht ...