Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausschlussklausel des § 4 Abs 3 lit. b ARB 2000 bedarf bei schuldloser Fristversäumung nach Treu und Glauben einer einschränkenden Auslegung, die sich - dem geänderten Wortlaut der Klausel entsprechend - nicht mehr an der Meldung eines Versicherungsfalls, sondern der Geltendmachung eines Anspruchs auf Rechtschutz zu orientieren hat.
2. Eine Geltendmachung des Anspruchs auf Sozialgerichtsrechtschutz ist frühestens dann denkbar, wenn ein Widerspruch in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren zurückgewiesen worden ist.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 06.06.2014; Aktenzeichen 11 O 1516/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - das Urteil des LG Magdeburg vom 6.6.2014, Az.: 11 O 1516/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des zwischenzeitlich beendeten Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungsscheinnummer ... verpflichtet ist, der Klägerin für das vor dem Sozialgericht Magdeburg unter dem Aktenzeichen S 12 R 364/12 gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund geführte Klageverfahren Versicherungsschutz zu gewähren.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.018,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.9.2013 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagte zu 4/5 und die Klägerin zu 1/5.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 45.000,-- EUR festgesetzt, wobei ein Betrag in Höhe von 9.000,-- EUR auf den Feststellungsantrag entfällt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit den §§ 2, 3 und 6 Satz 1 ZPO).
Gründe
I. Die im Bereich der Veranstaltungslogistik gewerblich tätige Klägerin begehrt von der Beklagten Rechtsschutz für ein ihrerseits seit Juni 2012 vor dem Sozialgericht Magdeburg gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund geführtes Klageverfahren.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten von Oktober 2001 bis Ende September 2006 eine Versicherung über Kompakt-Rechtsschutz für Unternehmen und freie Berufe, der nach § 2 Satz 2 lit. f in Verb. mit § 28 Abs. 3 der vereinbarten ARB 2000 (Bl. 22 bis 29 Bd. I d.A.) u.a. auch Sozialgerichts-Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor deutschen Sozialgerichten mit umfasste.
Für den Anspruch auf Rechtsschutz galt bedingungsgemäß folgende Regelung:
§ 4 Voraussetzung für den Anspruch auf Rechtsschutz
Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, gilt:
(1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles
a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2a) von dem Schadenereignis an, das dem Anspruch zugrunde liegt;
b) im Beratungs-Rechtsschutz im Familien- und Erbrecht gemäß § 2k) von dem Ereignis an, das die Änderung der Rechtslage des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person zur Folge hat;
c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
d) Die Voraussetzungen nach a) bis c) müssen nach Beginn des Versicherungsschutzes gemäß § 7 und vor dessen Beendigung eingetreten sein. Für die Leistungsarten nach § 2b) bis g) besteht Versicherungsschutz jedoch erst nach Ablauf von drei Monaten nach Versicherungsbeginn (Wartezeit), soweit es sich nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aufgrund eines Kauf- oder Leasingvertrages über ein fabrikneues Kraftfahrzeug oder um die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung dinglicher Rechte an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen handelt.
(2) Erstreckt sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum, ist dessen Beginn maßgeblich. Sind für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen mehrere Rechtsschutzfälle ursächlich, ist der erste entscheidend, wobei jedoch jeder Rechtsschutzfall außer Betracht bleibt, der länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten oder, soweit sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum erstreckt, beendet ist.
(3) Es besteht kein Rechtsschutz, wenn
a) eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Absatz 1c) ausgelöst hat;
b) der Anspruch auf Rechtsschutz erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht wird.
(4)...
Erstmals mit Schreiben ihrer Anwälte vom 6.6.2012 (Bl. 65 Bd. I d.A....