Leitsatz (amtlich)
Ob sich eine Drittwiderklage auch gegen den eigenen Streitgenossen richten kann, wird in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Im Berufungsrechtszug ist darüber aber nur zu entscheiden, wenn insoweit eine Berufungsrüge erhoben worden ist.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 17.05.2013; Aktenzeichen 5 O 200/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Widerbeklagten und der Drittwiderbeklagten wird das am 17.5.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Halle hinsichtlich des auf die Widerklage des Widerklägers zu 2) von dem Widerbeklagten und der Drittwiderbeklagten an diesen zu zahlenden Betrags teilweise abgeändert und insoweit unter Klageabweisung im Übrigen klarstellend wie folgt neu gefasst:
Der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte werden auf die Wider-klage des Widerklägers zu 2. als Gesamtschuldner verurteilt, an die-sen 325 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.7.2008 zu zahlen.
Die weiter gehende Berufung des Widerbeklagten und der Drittwider-beklagten wird zurückgewiesen.
Von den in erster Instanz entstandenen Gerichtskosten tragen der Kläger 52 %, der Beklagte zu 2. 24 %, der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner weitere 23 % sowie der Widerkläger zu 2. 1 %. Hiervon ausgenommen sind die durch die Einholung der Gutachten der Sachverständigen Dr. U., Prof. Dr. K. und Dr. J. entstandenen Kosten. Die durch die Ein-holung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. U. entstan-denen Kosten tragen der Widerkläger zu 1. zu 50 % und der Wider-beklagte sowie die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 50 %. Die durch die Einholung der Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. K. und Dr. J. entstandenen Kosten trägt der Wider-kläger zu 1.
Von den den Beklagten und Widerklägern in erster Instanz entstan-denen außergerichtlichen Kosten tragen der Kläger 52 % sowie der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner weitere 28 %. Die dem Widerbeklagten und der Drittwiderbeklagten in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten tragen der Widerkläger zu 1. zu 50 % sowie der Widerkläger zu 2. zu 2 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist, ebenso wie das mit der Berufung angefochtene Urteil des LG, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt 3.051,71 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 18.4.2008 innerorts in H. zugetragen hat.
Nach den im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit stehenden Tatsachenfeststellungen des LG hat sich der Unfall wie folgt ereignet: Der Kläger und Widerbeklagte zu 1. (im Folgenden: Widerbeklagter) befuhr mit seinem Pkw Audi A 4 die H. Allee und bog von dort mit 15 bis 25 km/h nach links in die E. Straße ab. Der Beklagte zu 2. und Widerkläger zu 1. (im Folgenden: Widerkläger zu 1.) befuhr mit dem Pkw VW Polo seines Bruders, des Widerklägers zu 2., die H. Allee in Gegenrichtung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 70 km/h, wobei deren Fahrbahn in seine Fahrtrichtung im Bereich der Einmündung der E. Straße leicht nach rechts schwenkt. Die Fahrzeuge kollidierten auf der Fahrspur des Widerklägers zu 1.. Nach den Feststellungen des Sachverständigen G., welche das LG übernommen hat, hätte der Widerkläger zu 1. in dem Moment, als er den Abbiegevorgang des Widerbeklagten zu 1. erstmalig bemerken konnte, den Zusammenstoß bereits nicht mehr vermeiden können. Nach den weiteren, im Urteil allerdings nicht ausdrücklich aufgenommenen Feststellungen des Sachverständigen hätte der Widerkläger zu 1. bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h während der gesamten Annäherung an die Unfallstelle den Verkehrsunfall räumlich um ca. 36 m vermieden, d.h. der Widerbeklagte zu 1. hätte trotz des Vorfahrtsverstoßes die Fahrlinie des Widerklägers zu 1. vollständig kreuzen können, ohne dass die Fahrzeuge sich berührt hätten. Der Widerkläger zu 1. erlitt ein Schädelhirntrauma, eine Schädelprellung, ein Thorax- und Bauchtrauma und Rippenbrüche, die zu einer einwöchigen stationären Behandlung führten. Als Dauerschaden ist ihm eine Angststörung in Form einer Angst vor dem Autofahren verblieben.
Beide unfallbeteiligte Pkw waren jeweils bei demselben Haftpflicht- und Kaskoversicherer versichert, der erstinstanzlich gleichzeitig als Beklagte zu 1. und Drittwiderbeklagte an dem Prozess beteiligt war. Dieser Versicherer hat in seiner Eigenschaft als Kaskover-sicherer gegenüber beiden Unfallbeteiligten den materiellen Schaden am jeweiligen Pkw weitaus überwiegend (gegenüber dem Widerbeklagten) bzw. vollständig (gegenüber dem Widerkläger zu 2.) ausgeglichen, so dass die Parteien in erster Instanz nur über ver-bliebene materielle und immaterielle Schäden gestritten haben.
Weg...