Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabe einer Willenserklärung. Vorerbenstellung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 HS. 2 EGBGB soll der Vorerbe nicht nur in seiner Verfügungsbefugnis unter Lebenden, sondern auch insofern frei sein, dass er über eine ihm angefallene Vorerbschaft anderweitig letztwillig verfügen kann, insbesondere auch die Anordnung des Erblassers über die Nacherbfolge in Wegfall zu bringen.

 

Normenkette

EGBGB Art. 235 § 1 Abs. 1; BGB §§ 894, 1922 Abs. 1-2, § 2139

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 17.12.1997; Aktenzeichen 8 O 2753/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 17. Dezember 1997 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Zf. I. der Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils wie folgt neu gefaßt wird:

Die Beklagte wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Magdeburg von Magdeburg Blatt … dahingehend zu erteilen, daß bezüglich des Grundstücks Flur …, Flurstück … der Gemarkung Magdeburg die Beklagte als Eigentümerin gelöscht und statt dessen der Kläger (Karl H. J., geb. am 11.08.1932) sowie K. K. (geb. Eh., geb. am 04.03.1943), R. W. (geb. Eh., geb. am 22.11.1936) und E. L. (geb. Eh., geb. am 14.04.1935) als Eigentümer des Grundstücks in Erbengemeinschaft eingetragen werden.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 533.000,– DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 500.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung, die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zu erteilen.

Die Beklagte ist im Grundbuch des Amtsgerichts Magdeburg von Magdeburg Bl. … als Eigentümerin des Grundstücks der Gemarkung Magdeburg, Flur …, Flurstück … eingetragen. Voreingetragene Eigentümerin des Grundstücks war Frau E. En., geb. Eh., welche ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR hatte und dort am 20.09.1979 verstarb (im folgenden: die Erblasserin). Die Erblasserin errichtete am 30.04.1970 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:

„Es ist mein Wille, daß nach meinem Tod Herr W. Js., wohnhaft …, mein alleiniger Erbe ist. W. Js. gehört demnach mein Haus inklusive Wohnung und Inventar in …, … bis zu seinem Tode. Sollte Herr Js. das Erbe bis zu seinem Tode nicht verkaufen, so geht es in die Hände meiner Vettern und Cousinen über.”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen.

Das Staatliche Notariat erteilte Herrn W. Js. am 18.10.1979 einen Erbschein, welcher ihn als Alleinerben auswies und aufgrund dessen Herr Js. als Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks im Grundbuch eingetragen wurde.

Herr W. Js. errichtete am 11.01.1991 ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgenden Wortlaut hat:

„Ich, W. Js., geboren am 24.03.1904, wohnhaft in M., …, bestimme, daß Frau B. Ke., geboren am 01.02.1935, meine Alleinerbin ist. Ich habe keine leiblichen Kinder, es gibt keine früheren Verfügungen von mir.”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Testaments vom 11.01.1991 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen.

Herr Js. verkaufte das Grundstück bis zu seinem Tod am 18.07.1995 nicht. Der Kläger ist Cousin (Vetter), die im unten wiedergegebenen Klageantrag aufgeführten Personen sind die Cousinen der Erblasserin.

Der Kläger hat gemeint, die Erblasserin habe Herrn W. Js. als befreiten Vorerben eingesetzt, so daß er gemeinsam mit den Cousinen der Erblasserin als Nacherbe Eigentümer des Grundstücks in Magdeburg geworden sei.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von Magdeburg Gb.-Bl. …, Flurstück … der Flur … der Gemarkung Magdeburg dahingehend zu erklären, daß die Eintragung der Beklagten als Eigentümerin gelöscht wird sowie der Kläger und die Frau K. K., Frau R. W., Frau E. L. als Eigentümer des im Grundbuch verzeichneten Grundstücks eingetragen werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, daß Herr W. Js. als Vorerbe berechtigt gewesen sei, die von der Erblasserin verfügte Anordnung der Vor- und Nacherbfolge gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EGZGB durch eine eigene anderweitige letztwillige Verfügung zu ersetzen, was in Gestalt des Testaments vom 11.01.1995 geschehen sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Erblasserin habe Herrn W. Js. als befreiten Vorerben eingesetzt. Die Anordnung der Vorerbfolge des Herrn Js. sei auch nach dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB/DDR) am 01.01.1976 wegen § 8 Abs. 2 Satz 2 EGZGB wirksam geblieben. Diese Vorschrift habe dem Vorerben nicht die Befugnis eingeräumt, über den Nachlaß im Widerspruch zur Anordnung ...

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