Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 30.10.2020; Aktenzeichen 4 O 66/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Oktober 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau, Az.: 4 O 66/20, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Klägerin.
Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 31.747,07 EUR bis zum 28. April 2021 und danach auf 26.581,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines im Jahr 2016 geschlossenen Kaufvertrages in Anspruch.
Die Klägerin erwarb im Juni 2016 (Rechnung vom 11. Juni 2016, Anlage K1, AB) von der ... als Neuwagen einen PKW der Marke VW vom Typ T6 Multivan Trendline 2.0 TDI 4Motion. Es war ein Netto-Kaufpreis von 36.629,42 EUR und Brutto-Kaufpreis von 43.589,00 EUR vereinbart.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 EU 6 ausgestattet, deren Herstellerin die Beklagte ist.
Die Klägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 03. Dezember 2019 (Bd. I Bl. 74f. d. A.) Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht und sie aufgefordert, den Kaufpreis für das Fahrzeug bis zum 30. Dezember 2019 zu erstatten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Die Klägerin hat behauptet, in den VW-Motoren des Typs EA 288 sei eine Software verwendet worden, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde. Nur dann werde ausreichend der zur Abgasreinigung benötigte Harnstoff AdBlue eingespritzt, während im normalen Straßenverkehr weniger AdBlue verwendet werde. Die Programmierung dieser Software sei gesetzeswidrig. Ferner enthalte die Motorsteuerung ein Thermofenster, welches eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007/EG darstelle. Zudem bestehe der Verdacht, dass das Fahrzeug über weitere illegale Abschalteinrichtungen wie eine sog. "Aufwärmstrategie" verfüge. Eine weitere gängige Manipulationssoftware erkenne anhand des Winkels im Lenkrad, ob das Fahrzeug im Straßenverkehr fahre oder sich auf dem Rollenprüfstand befinde, was zu niedrigeren CO2-Werten und niedrigerem Benzinverbrauch auf dem Rollenprüfstand führe. Im Rahmen der Abgasnachbehandlung setze die Beklagte NOx-Speicherkatalysatoren und/oder SCR-Katalysatoren ein, um die Stickoxide zu reduzieren. Hinzu komme, dass die Beklagte auch über das On-Board-Diagnosesystem (OBD) getäuscht habe, welches nach § 29 Abs. 1 StZVO in Verb. mit Anlagen VIII Nr. 1.2.1.1 und Villa Nr. 4.8.2.2 StZVO maßgebend für die Durchführung der Abgasuntersuchung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei. Die Beklagte habe das System so programmiert, dass es bei der Inspektion fälschlicherweise melde, dass die Abgassysteme des Fahrzeugs ordnungsgemäß funktionieren. Ohne diesen Betrug hätte das System bei Abgasuntersuchungen dem Techniker einen Fehler gemeldet. Darin liege eine illegale Manipulation nach Art. 4 Nr. 692/2008/EG.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an die Klägerin 43.589,00 EUR nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 17.06.2016 bis zum 30.12.2019 sowie in Höhe von 9 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.12.2019 Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges VW, Typ T6 Multivan Trendline 2.0 4Motion, FIN ... zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.965,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, der vorliegende Fall unterscheide sich maßgeblich von den sonst üblichen Konstellationen um den Motortyp EA 189, Der streitgegenständliche Motortyp EA 288 sei unstreitig nicht Gegenstand des vom KBA im Jahr 2015 angeordneten Rückrufs zur Beseitigung der unzulässigen Umschaltlogik in Fahrzeugen mit Dieselmotoren des Typs EA 189. Entsprechend sei das Fahrzeug von keinem Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei lediglich von einer technischen Konformitätsabweichung im Zusammenhang mit dem sog. Verschlechterungsfaktor (KI-Faktor) erfasst. Zur Beseitigung dieser Abweichung stehe seit November 2018 ein Software-Update zur Verfügung. Dieses habe das KBA geprüft und mit Freigabebescheid vom 19. November 2018 (Anlage B 2, AB) genehmigt. Darin habe das KBA bestätigt, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden seien, die Schadstoffemissionen eingehalten u...