Leitsatz (amtlich)
§ 254 Abs. 1 BGB ist als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens anwendbar, wenn der dem Verletzten durch ein Tier zugefügte Schaden auch von seinem Tier mit verursacht wurde. Die Ersatzpflicht bestimmt sich dann nach dem Gewicht, mit dem die jeweilige Tiergefahr des einen Tieres im Verhältnis zum anderen Tier in der Schädigung konkret wirksam wurde. (Hier Mitverschulden von ¼ bei einem Verletzten der sich unmittelbar nachdem sein Hund angegriffen und gebissen worden war, ihm zuwandte und daraufhin von ihm gebissen wurde.)
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 13.08.2013; Aktenzeichen 2 O 661/12) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird das am 13.8.2013 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner
a. 6.114,58 EUR nebst Zinsen für das Jahr i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.085,01 EUR seit dem 20.8.2012, auf 13,49 EUR seit dem 19.1.2013 und auf 16,08 EUR seit dem 4.12.2013 sowie
b. 603,93 EUR nebst Zinsen für das Jahr i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 100 EUR seit dem 20.8.2012 und auf 503,93 EUR seit dem 13.3.2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den infolge des Hundebisses vom 9.4.2012 zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden im Umfang von ¾ bzw. unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von ¼ zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergegangen ist.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 2/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2; 313a Abs. 1 Satz 1; 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg, während die Berufung der Beklagten nur zur Abweisung eines geringen Teils des vom LG zuerkannten materiellen Schadensersatzes führt. Das angefochtene Urteil verletzt in mehrfacher Hinsicht materielles und Prozessrecht und begründete so konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des LG, die der Senat zum Anlass erneuter Feststellungen genommen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Im Ergebnis der gebotenen und erstmals im Berufungsrechtszug durchgeführten Beweisaufnahme hat der Kläger, teils aus abgetretenem Recht, gegen die als Gesamtschuldner haftenden Beklagten einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 6.114,58 EUR (§§ 833 Satz 1; 830 Abs. 1 Satz 1; 840 Abs. 1; 249; 253 Abs. 2; 254 Abs. 1 BGB).
1. Das LG hat die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1. aus § 833 BGB und den gegen den Beklagten zu 2. gerichteten Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 834 BGB hergeleitet. Es bedarf im Ergebnis der Beweisaufnahme des Senats keiner abschließenden Klärung, ob es für die Haftung des Ehegatten eines Tierhalters als Tieraufseher, wie vom LG angenommen, entgegen dem Wortlaut der Norm genügt, rein faktisch die Aufsicht über das Tier übernommen zu haben (dagegen Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 834 Rz. 2 m.w.N.; Staudinger/Borges, BGB, Neubearb. 2012, § 834 Rz. 10; a.A. Wagner in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 834 Rz. 5). Der Kläger hatte bereits in erster Instanz behauptet, die Hündin T. werde von den Beklagten gemeinsam gehalten, so dass die Beklagten als (Mit-) Tierhalter i.S.v. § 833 BGB zu betrachten seien. Dies hat sich im Verlaufe der Anhörung der Beklagten als richtig erwiesen.
Ausgehend vom Zweck der Tierhalterhaftung, dass derjenige, der die Existenz des Tieres ermöglicht und damit sein Interesse am Erhalt des Tieres unter Beweis stellt, für die von dem Tier ausgehende Gefahr einzustehen hat (vgl. BGH NJW-RR 1988, 655, 656), ist als Tierhalter anzusehen, wem die Bestimmungsmacht - hier über den Hund - zusteht, wer also aus eigenem Interesse für die Unterhaltskosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt (BGH, a.a.O.). Das können die einen Familienhund mitbesitzenden Familienangehörigen sein (OLG Jena r + s 2010, 126, 127). Ehegatten sind es in Bezug auf einen im gemeinsamen Haushalt lebenden Hund jedenfalls dann, wenn sie, wie die Beklagten, die Unterhaltskosten gemeinsam tragen, die tierbezogenen Entscheidungen gemeinsam treffen und auch sonst arbeitsteilig bzw. gemeinsam u.a. für den Auslauf des Hundes Sorge tragen (vgl. Spindler, in: BeckOK/BGB, Stand: 1.11.2013, § 833 Rz. 15). Dass es sich bei T. ursprünglich um ein Geburtstagsgeschenk für die Beklagte zu 1. handelte, ist dann genauso wenig entscheidend, wie die Eigentumsfrage (PWW/Schaub, BGB, 8. Aufl., § 833 Rz. 6 m.w.N.).
Die Ausführungen der Beklagten zu diesem Punkt im nicht nachgelassenen Schriftsatz v...