Verfahrensgang
LG Stendal (Aktenzeichen 23 O 292/99) |
Tatbestand
Wegen des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge nimmt der Senat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 118 - 123 I).
Das Landgericht hat die Beklagte unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote der Klägerin zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin die künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu 70 % zu ersetzen hat. Ausgehend von den - unstreitigen - Verletzungen und Verletzungsfolgen sei grundsätzlich ein Schmerzensgeld i. H. v. 250.000,-- DM angemessen. Soweit die Beklagte die Kausalität zwischen einigen Verletzungen und dem Unfallgeschehen bestreite, sei ihr Vorbringen unsubstantiiert. Die Klägerin müsse sich aber ein Mitverschulden i. H. v. 30 % zurechnen lassen, weil sie davon Kenntnis gehabt habe, dass der Fahrer des Unfallfahrzeuges während der Fahrt Alkohol zu sich genommen habe. Der Verursachungsbeitrag des Fahrers überwiege schon im Hinblick darauf, dass die Klägerin im Unfallzeitpunkt erst 15 Jahre alt gewesen sei und somit nicht über die Lebenserfahrung eines Erwachsenen verfügt habe. Da sich die Beklagte mit dem Fahrer (und einem weiteren Beifahrer) zudem mehrere Kilometer von ihrem Wohnort entfernt aufgehalten habe, sei es nicht ratsam gewesen, zu Fuß allein nach Hause zu gehen. Die Anmahnung einer vorsichtigen Fahrweise sei gegenüber dem alkoholisierten Fahrer nicht durchzusetzen gewesen. Dass die Klägerin nicht angeschnallt gewesen sei, könne unberücksichtigt bleiben. Angesichts der Beschädigungen am Fahrzeug könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin geringfügigere Verletzungen erlitten habe, wenn sie angeschnallt gewesen wäre. Ebenfalls nicht anspruchsmindernd wirke sich aus, dass die Bremsen des Fahrzeuges möglicherweise nicht funktioniert hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin hiervon rechtzeitig Kenntnis gehabt habe. Der Vortrag der Beklagten, der Fahrer habe dies laut während der Fahrt geäußert, sei unter Berücksichtigung des Inhalts der Aussage des Fahrers in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren unsubstantiiert. Unter Anrechnung der bereits erbrachten Zahlung der Beklagten i. H. v. 50.000,-- DM rechtfertige sich noch ein restlicher Schmerzensgeldanspruch i. H. v. 125.000,-- DM.
Gegen das am 19.5.2000 verkündete und jeweils am 25.5.2000 zugestellte Urteil des Landgerichts Stendal (23 O 292/99) wenden sich beide Parteien mit der jeweils am 26.6.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die die Klägerin mit einem am 24.7.2000 und die Beklagte mit einem am 26.7.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet haben.
Die Klägerin wendet sich gegen die Berücksichtigung eines Mitverschuldens, weil ihr die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Fahrers entgegen der Ansicht des Landgerichts weder bekannt war noch sich hätte ihr aufdrängen müssen. Allein aus der Blutalkoholkonzentration beim Fahrer von 1,03 % (noch dazu gemessen im Zeitpunkt der Blutentnahme) ergäbe sich nicht, dass ihr die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit habe bekannt sein müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 20.7.2000 (Bl. 12 - 14 II) sowie die Schriftsätze vom 10.8.2000 (Bl. 31/32 II) und 4.7.2001 (Bl. 90 II).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stendal vom 19.5.2000 (23 O 292/99) abzuändern
und die Beklagte zu verurteilen,
1) an die Klägerin weitere 75.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.10.1999 sowie 5 % über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242) seit dem 1.6.2000 zu zahlen;
2) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den gesamten ihr zukünftig aus dem Verkehrsunfall vom 5.7.1992 gegen 0.20 Uhr auf der Landstraße 15 K. in Höhe des Abzweigs Sch. bei Kilometerstein 15,2 entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte beantragt,
1) das am 19.5.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (23 O 292/99) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
2) die Berufung der Klägerin gegen das am 19.5.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (23 O 292/99) zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass das Landgericht das Mitverschulden der Klägerin nicht ausreichend gewürdigt habe. Zum einen sei von Bedeutung, dass die Fahrt ganz bewußt darauf angelegt gewesen sei, eine große Menge Bierbüchsen zu leeren, ohne in der Öffentlichkeit zu sein. Darüber hinaus habe das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Verletzungen der Klägerin darauf zurückzuführen sein dürften, dass sie nicht angeschnallt gewesen und deshalb aus dem Auto herausgeschleudert worden sei. Die Klägerin habe zudem in der Mitte der Rücksitzbank Platz genommen und sich nach vorn gebeugt, ohne angeschnallt gewe...