Leitsatz (amtlich)

1. Unterwirft sich ein Franchisenehmer einem System, dass eine nahezu 100 %-ige Kooperation mit dem Franchisegeber verlangt, kann hieraus nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf eine Sittenwidrigkeit des Vertrages geschlossen werden, solange unternehmerische Gestaltungsspielräume verbleiben.

2. Zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung eines Franchisevertrages, wenn sich beide Vertragsparteien nicht vertragstreu verhalten.

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 16.08.2005; Aktenzeichen 2 O 1315/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.8.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des LG Dessau wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin und der Gegenstandswert des Berufungsrechtszuges werden auf 29.438,73 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in erster Linie um die Frage, ob ein zwischen ihnen geschlossener Franchisevertrag wirksam ist und fortbesteht.

Sie schlossen am 22.11.1999 einen Franchisevertrag mit einer Laufzeit von 10 Jahren, wonach die Beklagte an dem Standort D. im Rahmen eines von der Klägerin bundesweit betriebenen Franchisesystems eine Nachhilfe- und Computerschule für Kinder und Erwachsene betreiben sollte. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf die Anlage K 1 des Anlagenbandes I Bezug genommen.

Am 11.3.2000 änderten die Parteien die §§ 3 und 4 Abs. 2 des Vertrages und regelten unter § 3 Abs. 9, dass die Klägerin durch ihre Zentrale in K. die Rechnungsstellung/Faktura, Inkasso und Bankeinzug ggü. den Kunden der Beklagten durchführen sollte. Die Kursgebühren sollten am ersten Werktag des folgenden Monats an die Beklagte weitergeleitet werden. Insofern wird auf die Anlage K 2 des Anlagenbandes I Bezug genommen.

In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten. Die Beklagte schloss sich mit 30 weiteren Franchisenehmern der Klägerin zusammen und wandte sich mit anwaltlichem Schreiben vom 10.3.2004 (Anlagenband I Bl. 40 ff. d.A.) an die Klägerin und rügte die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten, insb. bezüglich der zu erwartenden Umsätze, sowie die Verletzung von vertraglich geschuldeten Betreuungspflichten.

Die Klägerin wies unter dem 16.4.2004 (Anlagenband I, Bl. 42 d.A.) die Vorwürfe von sich, woraufhin die Beklagte und die Mitfranchisenehmer, die sich in einem Interessenverband zusammengeschlossen hatten, unter dem 29.4.2004 ihre Vorwürfe wiederholten und insb. eine Veränderung der Vertragsbedingungen anmahnten (Anlagenband I, Bl. 61 ff. d.A.). Sie waren der Auffassung, dass die an die Klägerin zu entrichteten Abgaben den Gewinn so schmälerten, dass die Führung der Schulen nicht mehr zum Erwerb der Lebenshaltungskosten ausreiche. Die Klägerin reagierte mit Schreiben vom 21.5.2004 (Anlagenband I, Bl. 110 f. d.A.)

Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.7.2004 forderte die Interessengemeinschaft der Franchisenehmer der Klägerin diese unter Fristsetzung zum 16.7.2004 auf, diverse Maßnahmen zur Förderung der Geschäftstätigkeit einzuleiten. Wegen des Schreibens wird auf Anlagenband I, Bl. 76 ff. d.A., Bezug genommen.

In der Folge widerriefen sämtliche Franchisenehmer, auch die Beklagte, mit Schreiben vom 19.7.2004 (Anlagenband I, Bl. 23 f. d.A.) die der Klägerin erteilten Einzugsermächtigungen. Die Klägerin forderte die Franchisenehmer unter dem 26.7.2004 zur erneuten Erteilung der Einzugsermächtigungen auf. Die Interessengemeinschaft bot der Klägerin unter dem 29.7.2004 (Anlagenband I Bl. 82 f. d.A.) an, eine Einzugsermächtigung zu erteilen, wenn die monatliche Gebühr auf 4,5 % des Umsatzes, mindestens 350 EUR, reduziert werden würde.

Mit Schreiben vom 17.8.2004 (Anlagenband I, Bl. 119 f. d.A.) übermittelte die Klägerin der Beklagten die Liste der Schüler und der Kündigungen. Ferner forderte sie diese auf, die vereinbarten Franchisegebühren zu zahlen und die zu deren Berechnung notwendigen Umsätze mitzuteilen.

Daraufhin behielt die Klägerin den gesamten Monatsumsatz der beteiligten Franchisenehmer für den Monat Juli und anteilig für den Monat August ein. Von dem Umsatz der Beklagten hielt die Klägerin insgesamt 5.382,03 EUR ein. Mit Schreiben vom 27.9.2004 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihr eine ordnungsgemäße Aufstellung über die eingegangenen Kündigungen zur Verfügung zu stellen. Auch forderte sie diese auf, die zurückgehaltenen Kursgebühren des Monats Juli 2004 zur Auszahlung zu bringen (Anlagenband I, Bl. 84 f. d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge