Leitsatz (amtlich)
1. Erfolgt nach einem Unfall bei der verletzten Person im Krankenhaus eine aus medizinischen Gründen vorgenommene Blutuntersuchung, welche eine Blutalkoholkonzentration von 2,8 0/00 ergibt, und findet dieser Umstand Eingang in das Ermittlungsverfahren und in den Zivilprozess, folgt aus dem Umstand, dass die Untersuchung aus medizinischen Gründen erfolgte, kein Verwertungsverbot, allenfalls ist zugunsten des Geschädigten von möglichen Messungenauigkeiten auszugehen.
2. Ein Außerachtlassen selbst der Betriebsgefahr setzt zumindest die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit voraus, was von Seiten des Halters und Fahrers zu beweisen ist. Dabei reicht es nicht, wenn dies nur wahrscheinlich erscheint, aber auch eine gewisse Überschreitung nicht ausgeschlossen werden kann.
Verfahrensgang
LG Stendal (Urteil vom 30.04.2013; Aktenzeichen 23 O 199/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.4.2013 verkündete Urteil des LG Stendal (23 O 199/11) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.249,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.8.2009 zu zahlen.
Die Beklagten werden weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 276,72 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger künftige materielle und immaterielle Schäden nach einer Quote von 25 % zu erstatten, die aus dem Unfallgeschehen vom 6.9.2008 (gegen 23.15 Uhr auf der B ... aus Richtung S. kurz vor der Ortslage H., Abs. 016, km 3,3) entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 73 % und die Beklagten zu 27 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 19.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten (Versicherer/Halterin/Fahrer) Ansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfallgeschehen vom 6.9.2008 (23.15 Uhr) geltend, bei dem er erheblich verletzt und sein ihn begleitender Hund getötet wurde. Der Beklagte zu 3) befuhr mit dem Fahrzeug VW Passat (als Taxi genutzt) aus Richtung S. kommend die B. in Richtung H.. Im Bereich des Unfallortes fand zum Unfallzeitpunkt ein großes Volksfest statt (sog. Pferdemarkt). Im Bereich der Veranstaltung war die Geschwindigkeit auf der B. zum Unfallzeitpunkt auf 40 km/h begrenzt. Im Bereich einer asphaltierten Feldwegeinfahrt (Abschnitt 016, Kilometer 0,300) wurde der Kläger von dem vom Beklagten zu 3) geführten Passat erfasst (rechte Fahrzeugseite/rechter Scheinwerfer), landete auf der Motorhaube und durchschlug mit dem Kopf die Windschutzscheibe in Höhe des Beifahrersitzes. Das Fahrzeug kam etwa 29 m nach dem Aufprall zum stehen. Die Umstände, die zum Unfallgeschehen geführt haben, sind zwischen den Parteien streitig.
Nach dem Vortrag des Klägers stand er (der Hund sitzend links neben ihm) hinter der Begrenzungslinie der B. Er trägt dazu ergänzend vor, dass er sich im linken Bereich zwischen der Fahrbahnbegrenzungslinie und ca. 0,5 m rechts neben der Fahrbahnbegrenzungslinie in Fahrtrichtung des Beklagten zu 3) gesehen aufgehalten habe. Er habe etwas schräg zur Fahrbahn gestanden mit der linken Körperhälfte zur Fahrtrichtung des Pkw orientiert (bei seiner Anhörung im Termin hat er angegeben: abgewandt vom Fahrzeug). Er habe diesen Standort hinter der Fahrbahnbegrenzungslinie bis zum Unfallzeitpunkt nicht verlassen. Der Kläger behauptet weiter, dass der Beklagte mit einer höheren Geschwindigkeit als den zulässigen 40 km/h gefahren sei. Unstreitig hat der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls mit der Zeugin T., mit der er und anderen Personen auf dem Pferdemarkt verabredet war, telefoniert.
Eine im Krankenhaus - nicht zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration - vorgenommene Blutuntersuchung ergab eine Blutalkoholkonzentration beim Kläger von 2,8o/oo. Bei seiner Anhörung hat der Kläger den Konsum einer kleineren Menge Alkohol eingeräumt aber bestritten, betrunken gewesen zu sein.
Die Beklagten sind der Klageforderung entgegengetreten. Sie bestreiten, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt hinter der Fahrbahnbegrenzungslinie gestanden habe. Als sich der Beklagte zu 3) der Feldwegeinfahrt genähert habe, sei von rechts ein schwarzer Schatten auf den Pkw zugekommen. Der Beklagte zu 3) habe das Fahrzeug sofort langsam abgebremst und nach 29 m zum Halten gebracht, damit die auf der Motorhaube liegende Person nicht nach vorn oder in den Gegenverkehr geschleudert worden sei. Die Beklagten behaupten, dass der Beklagte zu 3) mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 35 - 40 km/h gefahren sei und zwar in der Mitte der rechten Fahrspur. Der Kläger - vom Beklagten zu 3) zunächst...