Leitsatz (amtlich)
1. Die Verschiebung des Rentenbeginns vom 63. zum 66. Lebensjahr nach Ehezeitende stellt keine rechtliche oder tatsächliche Änderung mit Ehezeitbezug (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG) dar. Demgegenüber liegt beim Wechsel von Sterbetafeln eine solche Änderung vor.
2. Die Verschiebung des Rentenbeginns ist aber wegen des Grundsatzes der Kostenneutralität für den Versorgungsträger im Wege einer Kontrollberechnung mit einem rechtskraftnahen Stichtag unter Berücksichtigung rechtskraftnaher Bewertungsparameter zu berücksichtigen (Anschluss an BGH FamRZ 2016, 2000).
3. § 12 VersAusglG rechtfertigt bei der internen Teilung den Ausschluss von Anpassungen der ausgleichsberechtigten Person von Steigerungen im Anwartschaftsstadium.
4. Eine vergleichbare Wertentwicklung des Anrechts im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG wird nicht erreicht, wenn das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person im Leistungsstadium lediglich mit 1 % per anno gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG angepasst wird, während die Anpassungen des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 BetrAVG handelsbilanziell mit 1,75 % per anno angesetzt werden.
5. Bei der Bemessung der Teilungskosten kann auch berücksichtigt werden, dass der Versorgungsträger nur im Falle der Überschreitung der Wertgrenzen des § 17 VersAusglG die interne Teilung wählt und damit nur eine kleine Zahl solcher Anrechte zu verwalten hat.
6. Setzt sich der Wert eines Anrechts aus mehreren Komponenten zusammen und leitet sich sein Wert teilweise von einem nicht veröffentlichungspflichtigen Index ab, so können die Wertsteigerungen zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung nur durch eine rechtskraftnahe Neuberechnung berücksichtigt werden (Anschluss an BGH FamRZ 2017, 1655). Der Vergleich mit dem abgezinsten Barwert einer Garantieleistung kann in diesem Fall konkret erfolgen und muss nicht in die Tenorierung aufgenommen werden.
7. Beim Rechtsmittel eines Ehegatten ist das Schlechterstellungsverbot zu beachten. Dabei ist stets eine Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile aller Anrechte anzustellen. Vorteile, die er bereits durch das Rechtsmittel eines Versorgungsträgers erlangt, dürfen aber nicht berücksichtigt werden.
8. In guten wirtschaftlichen Verhältnissen sind an den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG aufgrund eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts hohe Anforderungen zu stellen. Allein die ehevertragliche Abweichung von der Halbteilung beim Ausgleich des während der Ehezeit erworbenen Immobilienvermögens zugunsten des haushaltsführenden und kinderbetreuenden Ehegatten rechtfertigt keine Beschränkung des Versorgungsausgleichs.
Normenkette
BetrAVG § 16; FamFG § 26; VersAusglG §§ 2, 5 Abs. 2, §§ 11-13, 17, 27, 45
Verfahrensgang
AG Erlangen (Aktenzeichen 5 F 863/12) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Antragstellers wird der 2., 3. und 4 Absatz von Ziffer 2 des Endbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen vom 23.07.2015 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der S... AG - BSAV Beitragsorientierte S... AV 60 (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 22.715,50 EUR bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2012, begründet. Die S... AG wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 5,13 % Zinsen hieraus seit dem 30.06.2012 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung, höchstens jedoch 29.484,59 EUR, an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen.
2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der S... AG - BSAV Besitzstand IP (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 422,73 EUR monatlich, bezogen auf den 30.06.2012, übertragen. Die Übertragung erfolgt gemäß der Richtlinie zum Versorgungsausgleich für die Teilung von Anrechten aus der betrieblichen Altersvorsorge der S... AG samt Anlagen 2 und 10 dieser Richtlinie, Stand 08.10.2009, mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Anpassung der Rente im Versorgungsfall mit 1 % p. a. gemäß Nr. 4.4.2 der Richtlinie sowie Nr. 5 der "Sonderbestimmungen für Anrechte aus der integrierten IP-Zusage" und Nr. 3.1 der "Einheitlichen Besitzstandsbedingungen (EBB) Versorgungsausgleich" die Anpassung tritt, der das Anrecht des Antragstellers unterliegt.
3. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ...) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 1,9576 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2012, übertragen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4 zu tragen.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
6. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.720,00 EUR festges...