Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerecht: Teilweise Entziehung der elterlichen Sorge der allein sorgeberechtigten Mutter und Bestellung eines Ergänzungspflegers. Anfechtung der Entscheidung durch den nichtehelichen Vater
Leitsatz (amtlich)
Ist der ursprünglich gem. § 1626a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge gem. § 1666 BGB teilweise entzogen, kann die mit dieser Entscheidung verbundene Anordnung einer Pflegschaft hinsichtlich der entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge einschließlich der Auswahl eines Pflegers im Hinblick auf § 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BGB vom Vater angefochten werden, auch wenn dieser nie (mit) sorgeberechtigt war.
1. Hat ein Vater mit der Mutter nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes nie zusammengelebt und zu diesem auch durch Umgangskontakte über mehrere Monate keine echte Beziehung hergestellt, spricht mehr dagegen als dafür, § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB im Sinn der Entscheidungen des BVerfG vom 8.12.2005 (FamRZ 2006, 385) und vom 20.10.2008 (FamRZ 2008, 2185) "vaterfreundlich" auszulegen.
2. Verbleiben der Mutter nach dem Entzug insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht unwesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, so kommt es für die Entscheidung, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht und mit diesem entzogene weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge dem Vater zu übertragen sind oder ob insoweit eine Pflegschaft anzuordnen ist, auch darauf an, ob Vater und Mutter bereit und in der Lage sind, in Angelegenheiten des betroffenen Kindes zu kooperieren.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1680 Abs. 3, 2 S. 2, § 1909; FGG § 58 Abs. 1 i.d.F. vor dem 1.9.2009, § 59 Abs. 1; FamFG § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 06.08.2009; Aktenzeichen 103 F 2762/08) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Vaters des Kindes ... gegen die Entscheidungen unter Nr. II bis VII im Tenor des Beschlusses des AG - Familiengericht - Nürnberg vom 6.8.2009 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Beschwerde des AG - Familiengericht - Nürnberg in Nr. V des Tenors und der Abhilfebeschluss wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nürnberg vom 7.9.2009 abgeändert.
III. Als Ergänzungspfleger für das Recht, den Umgang des Kindes dem Vater ... zu regeln, wird Dr. ... Leiter des psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in I., ausgewählt.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
V. Der Vater ... hat die den anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren, insbesondere der Mutter ... entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Die am 19.12.1975 geborene ... ist die Mutter der Kinder geboren am 18.8.1991,.H. geboren am 8.3.2001, deren Vater ... ist, und ... geboren 5.7.2007.
Mit einem in einem gesonderten Verfahren ergangen Urteil des AG - Familiengericht - Nürnberg wurde im Anschluss an ein vom Gericht erholtes Abstammungsgutachten festgestellt, dass ... der Vater von ... ist
Die Mutter war und ist weder mit diesem riefen mit dem Vater des Kindes ... verheiratet. Die Eltern haben hinsichtlich des Kindes ... keine Sorgeerklärungen nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben.
... war, ebenso wie der früher mit ihr verheiratete Vater des Kindes drogenabhängig und befand sich schon zur Zeit der Geburt von ... und auch bei der Geburt von ... in einem Methadonprogramm. Sie befindet sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung und wird u.a. mit Psychopharmaka behandelt.
... musste nach ihrer Geburt ca. vier Wochen in der Klinik bleiben, da sie unter dem Entzug von Methadon litt. Anschließend wurde das Kind zur Mutter entlassen, die bei der Betreuung des Kindes zunächst von einer Hebamme und seit 3.9.2007 im Rahmen einer sozialpädagogischen Familienhilfe unterstützt wurde.
Im Mai 2008 gab die Mutter ... zunächst halbtags in eine Kinderkrippe, ab August 2008 sollte das Kind dort ganztags betreut werden.
Der am 14.4.1972 geborene ... lebt bei seiner Mutter, die sich seit längerem von seinem Vater getrennt hat. Er hat eine kaufmännische Ausbildung, war im Jahr 2002 vorübergehend in einem Call-Center tätig und geht seitdem keiner geregelten Arbeit mehr nach. Er hat ... schon lange vor der Geburt des Kindes ... wohl im Jahr 2002 kennengelernt aber jedenfalls seit der Geburt von ... nicht mit ihr zusammengelebt.
Nach der Geburt konnte er ... zunächst noch einige wenige Male im Krankenhaus besuchen. Danach kam es zunächst zu keinen Kontakten zu ...
... hat deshalb im Juni 2008 beim Jugendamt über ... vorgesprochen und berichtet, dass die Mutter nach der Entlassung des Kindes aus dem Krankenhaus einen weiteren Umgang mit ihm unterbunden und seine Vaterschaft angezweifelt habe.
Mit einem Schreiben vom 6.8.2008 hat das Jugendamt der ... beim Amtgericht - Familiengericht - Nürnberg beantragt, gem. § 1666 BGB sowohl in der Hauptsache als auch im Wege der einstweiligen Anordnung ... Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für die Kinder ... und ... zu entziehen und als Ergänzungspfleger das Jugendamt der Stadt ... zu bestellen...