Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anfechtbarkeit von Ergebnisverwendungsbeschlüssen der Gesellschafter einer GmbH.
2. Bei der Entscheidung über die Ergebnisverwendung sind die berechtigten Interessen der einzelnen Gesellschafter an einer hohen Gewinnausschüttung ggü. dem Interesse der Gesellschaft an einer Rücklagenbildung, den Bedürfnissen der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen.
3. Für diese Abwägung und insoweit in Betracht kommende prognostische Erwägungen (etwa hinsichtlich eines Investitionsbedarfs der Gesellschaft) ist der Kenntnisstand der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgebend.
4. Eine gerichtliche Überprüfung dieser Abwägung kann nicht dazu führen, dass nur eine einzig denkbare Entscheidung alle abzuwägenden Interessen angemessen berücksichtigt und sämtliche anderen Entscheidungsmöglichkeiten über eine Ergebnisverwendung fehlerhaft wären. Andernfalls würden unternehmerische Entscheidungen allein vom Gericht getroffen. Ein derartiger Eingriff des Gerichts in den Kernbereich unternehmerischer Autonomie ist unzulässig.
Die von der Gesellschafterversammlung getroffene Entscheidung darf nur äußerst restriktiv daraufhin überprüft werden, ob sie gegen gesetzliche Schranken (§§ 138, 226, 242, 826 BGB) verstößt oder ob sich das Abstimmungsverhalten einzelner Gesellschafter bei Abwägung der einzustellenden Interessen als Verstoß gegen die Treuepflicht der Gesellschafter erweist.
5. Bei der Abwägung kann sich die Entscheidung des Mehrheitsgesellschafters zur Bildung einer Gewinnrücklage unter Einstellung von 25 Mio. EUR aus dem Gewinnvortrag der Gesellschaft in diese Rücklage als treuwidrig erweisen, wenn hierdurch kein wesentlicher messbarer Vorteil für die Gesellschaft ersichtlich ist, andererseits das Gewinnausschüttungsinteresse des Minderheitsgesellschafters im Hinblick auf den erschwerten Zugriff auf eine Gewinnrücklage erheblich beeinträchtigt wird.
6. Ergebnisverwendungsbeschlüsse der Gesellschafter einer GmbH werden nicht dadurch bestätigt - mit der Folge, dass eine Anfechtung dieser Beschlüsse nicht mehr geltend gemacht werden kann -, dass im Folgejahr ein - nicht angefochtener - Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses gefasst wird, in dem die durch den - angefochtenen - früheren Ergebnisverwendungsbeschluss entschiedene Art der Gewinnverwendung sich lediglich in einzelnen Positionen widerspiegelt.
Normenkette
GmbHG § 29 Abs. 2, § 42a Abs. 2, § 46 Nr. 1; HGB § 266 Abs. 3 Buchst. A Nr. 3, Abs. 3 Buchst. A Nr. 4
Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 05.03.2007; Aktenzeichen 41 HK O 1019/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des LG Amberg vom 5.3.2007 (Az. 41 HK O 1019/05) im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als die Klage, den in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 18.7.2005 gefassten Beschluss, 25 Mio. EUR aus dem Gewinnvortrag von insgesamt ca. 29 Mio. EUR in eine Gewinnrücklage einzustellen, für nichtig zu erklären, abgewiesen wurde.
II. Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 18.7.2005 gefasste Beschluss, 25 Mio. EUR aus dem Gewinnvortrag von insgesamt ca. 29 Mio. EUR in eine Gewinnrücklage einzustellen, wird für nichtig erklärt.
III. Die weitergehende Berufung der Kläger gegen das Endurteil des LG Amberg vom 5.3.2007 wird zurückgewiesen.
IV. Es wird festgestellt, dass in der Nicht-Anfechtung des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses per 30.6.2005 keine Genehmigung der mit den Klageanträgen II und III angegriffenen Beschlüsse liegt.
V. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 %.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
VII. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
I. Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf 773.504,69 EUR festgesetzt.
II. Der Streitwertbeschluss des LG Amberg vom 5.3.2007 wird dahin abgeändert, dass der Streitwert für die erste Instanz bis zum 18.12.2006 auf 832.405,37 EUR und für die Zeit danach auf 773.504,69 EUR festgesetzt wird.
Gründe
A. Die Kläger, in ungeteilter Erbengemeinschaft (Minderheits-)Gesellschafter der beklagten GmbH, begehren
- mittels Anfechtungsklage die Nichtigerklärung eines in der Gesellschafterversammlung vom 18.7.2005 gefassten Beschlusses, vom Jahresüberschuss des Geschäftsjahres 2003/2004 einen Betrag von (nur) 1 Mio. EUR auszuschütten (= Klageantrag II 1),
- mittels Feststellungsklage die Feststellung, dass stattdessen in der Gesellschafterversammlung vom 18.7.2005 ein Beschluss dahingehend zustande gekommen ist, dass vom Jahresüberschuss des Geschäftsjahres 2003/2004 ein Betrag von 50 % (= 2.090.634,78 EUR) ausgeschüttet ...