Leitsatz (amtlich)
1. Der Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung steht unter dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG und ist nicht als Tatsachenbehauptung einzustufen.
2. Für die Forderung auf Herausgabe von Bild- und/oder Filmmaterial, mit dem über die Tierhaltung berichtet worden ist, steht dem Kritisierten keine Anspruchsgrundlage zur Verfügung.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; StGB § 186; GG Art. 5
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 12 O 99/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Amberg vom 23.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.400 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.500 Euro
(Klageantrag I: 15.000 Euro
Klageantrag II: 2.500 Euro)
festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Unterlassung der Behauptung nicht artgerechter Haltung von Enten sowie im Wege einer Stufenklage Auskunft über den Verbleib und Herausgabe von Bild- und/oder Filmmaterial.
Auf die Darstellung des unstreitigen Sachverhaltes, des streitigen Parteivortrages erster Instanz sowie der in erster Instanz gestellten Anträge im Tatbestand des Ersturteils wird Bezug genommen.
Das LG Amberg hat die Klage abgewiesen.
Das LG führt aus, dass es sich bei dem Begriff „artgerecht” nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine von Art. 5 GG gedeckte Meinungsäußerung handele. Vorliegend trete die Meinungsfreiheit auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik ggü. dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin zurück; vielmehr verfolge der Beklagte das sachliche Anliegen, durch eine öffentliche Diskussion den Gesetzgeber dazu zu veranlassen, zumindest vorläufige Mindeststandards zur Entenmast festzulegen.
Eine allgemeine Auskunftspflicht kenne das BGB nicht. Ein Auskunftsanspruch setze vielmehr vorliegend einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin voraus. Ein Eingriff sei hier zu verneinen, da der Beklagte weder Fotos zu gewerblichen Zwecken rechtswidrig gefertigt, noch gewerblich verbreitet habe.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 25.10.2001 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 22.11.2001 Berufung eingelegt. Am 24.1.2002 – innerhalb bis einschl. 25.1.2002 verlängerten Frist – hat sie ihr Rechtsmittel begründet.
Im Wesentlichen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren Vortrag erster Instanz. Insbesondere führt sie aus, dass es sich bei dem Vorwurf nicht artgerechter Tierhaltung um eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung und zudem um eine durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckte Beleidigung und Schmähung handle. Durch die Behauptung werde sie eines rechtswidrigen und tierquälerischen Verhaltens bezichtigt. Anliegen des Beklagten sei nicht eine allgemeine und grundsätzliche Diskussion über Massentierhaltung, sondern die Schädigung gerade ihres Gewerbebetriebes. Entgegen den Behauptungen des Beklagten sei ihre Entenhaltung artgerecht; sie entspreche den gesetzlichen Bestimmungen; dies ergebe sich insb. aus dem von ihr als Anlage zum Schriftsatz vom 2.4.2001 vorgelegten Gutachten des Sachverständigen … vom 15.12.2000.
Gäbe es – wie vom Beklagten behauptet – Bild-/Filmmaterial, das Teile des Betriebes der Klägerin zeigen würde, und wäre es mit der Behauptung angeblich nicht artgerechter Tierhaltung durch die Klägerin verbreitet worden, bestünde der dringende Verdacht, dass diese Szenen gestellt oder das Bild-/Filmmaterial manipuliert worden sei. In diesem Fall bestehe ein berechtigtes und schützenswertes Interesse ihrerseits an der Auskunftserteilung und Herausgabe des Bild-/Filmmaterials, um die Sach- und Rechtslage prüfen und Schaden abwehren zu können.
Die Klägerin beantragt im zweiten Rechtszug:
I. Das Urteil des LG Amberg vom 23.10.2001 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise für den Fall der Nichtbetreibbarkeit Ordnungshaft, zu vollziehen am Vorstand, zu unterlassen, die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, die Klägerin würde Enten nicht artgerecht halten.
II. Stufe 1:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, an wen er wann welches Bild- und/oder Filmmaterial mit der Behauptung übergeben hat, das Bild- und/oder Filmmaterial würde den Betrieb der Klägerin bei nicht artgerechter Tierhaltung zeigen, sowie ob der Beklagte noch im Besitz solchen Bild- oder Filmmaterials ist.
Stufe 2:
Der Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit seiner Auskunft an Eides statt zu versichern.
Stufe 3:
Der Beklagte wird nach Erfüllung der Stufen 1 und 2 als Besitzer von in Stufe 1 genannten Bild- oder Filmmaterial verurteilt, dieses an die Klägerin vollständig herauszugeben.
Der Beklagte beantragt im zweiten Rechtszug:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte blei...