Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil sowie zur Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Ehrenschutz für einen Gewerbebetrieb (hier: Geflügelmästerei) und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit für einen Verein des Tier- und Naturschutzes.
Normenkette
GG Art. 2, 5; BGB § 823 Abs. 2, § 1004
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 29.03.2001; Aktenzeichen 2 O 8730/00) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 29.3.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des Beklagten im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 20.000 DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Sämtliche Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
V. Die Beschwer der Klägerin beträgt 89.000 DM.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 89.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Hintergrund des vorliegenden Rechtsstreits ist die öffentliche Diskussion um die „artgerechte” Haltung von Zucht- und Schlachttieren.
Die Klägerin betreibt auf dem ehemaligen Gelände der Großentenmästerei W. in W. eine Gefügelzucht und Geflügelschlachterei. Sie sieht sich durch eine behauptete Pressekampagne des Beklagten in der Ausübung ihres Gewerbebetriebes verunglimpft und geschädigt.
Am 9.8.2000 hatte der Beklagte zu einem am 14.8.2000 abgehaltenen Pressegespräch an die „Damen und Herren von Presse, Rundfunk und Fernsehen” folgende Presseeinladung gerichtet:
„… zwei Jahre nachdem Großentenmäster W. in W. im Landkreis H.A. Konkurs angemeldet hat, werden dort weiterhin Enten in tierquälerischen Großbeständen gemästet. Der BN weist seit einem Jahrzehnt auf Verstöße gegen Tier- und Umweltschutzbestimmungen hin. Unter dem Strich ist jedoch alles beim Alten geblieben. Deshalb ist jetzt der Gesetzgeber gefordert durch die Definition artgerechter Haltungsbedingungen den tierquälerischen Entenmastverfahren endlich ein Ende zu setzen. Einige Handelsketten haben auf die unhaltbaren Zustände reagiert und die dort gemästeten Enten aus ihrem Sortiment entfernt.
Der Bund Naturschutz möchte Sie bei einem Pressegespräch am Montag, 14.8.2000, um 10.30 Uhr in N., Gaststätte H.G.S., S. über die skandalösen Praktiken des Unternehmens in den letzten Jahren informieren und Ihnen die BN-Forderungen zur artgerechten Entenhaltung entsprechend des neuen Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vorstellen.”
Die Klägerin erblickte hierin eine unwahre, geschäftsschädigende Tatsachenbehauptung über ihren Gewerbebetrieb. Sie forderte den Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 8.9.2000 auf, eine vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Der Beklagte lehnte dies ab.
Die Klägerin hat ausgeführt:
Der in der Presseeinladung der Beklagten vom 9.8.2000 erhobene Vorwurf der „tierquälerischen Großbestände” enthalte eine Tatsachenbehauptung, da sie nach dem maßgeblichen Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich sei und als etwas tatsächlich Geschehenes dem Beweis offen stehe. Da diese Tatsachenbehauptung objektiv falsch sei, sei der Beklagte zur Unterlassung weiterer derartiger Behauptungen verpflichtet.
Der Beklagte schulde ihr ferner Schadensersatz. Er habe ihr durch seine geschäftsschädigende Äußerung Schaden zugefügt. Aufgrund der Resonanz der über das abgehaltene Pressegespräch berichtenden öffentlichen Medien habe sie 30 t Gänse nicht mehr an die Firma „E.” in M. verkaufen können. Diese habe sich aufgrund der Presseberichterstattung geweigert, die zuvor fest geplanten und besprochenen Kaufverträge abzuschließen. Dadurch sei ihr ein Schaden i.H.v. 51.000 DM entstanden.
Da weitere Schäden in dieser Richtung zu befürchten seien, sei auch die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten für die Zukunft gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, zu unterlassen zu behaupten und/oder zu verbreiten, die Klägerin würde Enten in tierquälerischen Großbeständen mästen.
II. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I. ein Ordnungsgeld bis zu 500.000 DM festgesetzt wird.
III. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.000 DM nebst 8,42 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Aufstellen und/oder Verbreiten der Behauptung des Beklagten, die Klägerin würde Enten in tierquälerischen Großbeständen mästen, noch entstehen wird.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er hat die Auffassung vertreten, bei der von der Klägerin beanstandeten Äußerung handle es sich um eine durch ...