Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei einem Reisemobil die Zuladungsmöglichkeit so beschränkt, dass sie für den gewöhnlichen Gebrauch des Fahrzeugs nicht ausreicht, so stellt dies einen Sachmangel dar, für den der Käufer Gewährleistung beanspruchen kann – es sei denn, der Verkäufer hatte den Käufer auf die geringe Zuladungsmöglichkeit hingewiesen.
2. Bei einem großen und luxuriösen Reisemobil ist eine Zuladungsmöglichkeit von nicht einmal 500 kg bis zum Erreichen des zulässigen Gesamtgewichts von 7,5 t unzureichend.
3. Der bei der Wandelung anzurechnende Gebrauchsvorteil eines Reisemobils berechnet sich im Regelfall nach der Formel
Bruttokaufpreis × gefahrene Kilometer
erwartete Gesamtlaufleistung
Normenkette
BGB § 346 a.F., §§ 459, 462, 465
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 12 O 5603/00) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth v. 13.12.2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 290.000 DM nebst 4 % Zinsen aus 261.659,75 DM seit 9.10.1999 Zug um Zug gegen Rückgabe des Reisemobils …, Fahrzeug-Identifikationsnummer …, und einer Nutzungsentschädigung von 1,45 DM je Kilometer, der zum Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs der Kilometerstandsangabe entspricht, zu bezahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 195.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Entscheidung beschwert den Beklagten mit 261.659,75 DM.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 261.659,75 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Reisemobil.
Mit Formularvertrag – „Verbindliche Bestellung eines neuen Kraftfahrzeugs/Anhänger” – v. 2.10.1999 kaufte der Kläger vom Beklagten ein Reisemobil „…, 6,5 l TD”. In der Formular-Rubrik „Barzahlungspreis” war ein Betrag von 220.000 DM handschriftlich eingetragen. Tatsächlich waren sich die Parteien aber einig, dass der Kaufpreis 290.000 DM betragen solle. Dieser Preis wurde vom Kläger auch unstreitig bezahlt.
Das Fahrzeug wurde am 9.10.1999 dem Kläger übergeben.
In der „verbindlichen Bestellung” wurde auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von fabrikneuen Kraftfahrzeugen – Neuwagen-Verkaufsbedingungen – verwiesen, die umseitig abgedruckt waren. Nach diesen Bedingungen leistet der Verkäufer Gewähr für die Fehlerfreiheit während eines Jahres seit Auslieferung des Kaufgegenstandes (Ziff. VII, 1). In Ziff. IV, 5, der AGB ist bestimmt, dass „Angaben in bei Vertragsschluss gültigen Beschreibungen über Lieferumfang, Aussehen, Leistungen, Maße und Gewichte, Betriebsstoffverbrauch, Betriebskosten usw. des Kaufgegenstands Vertragsinhalt sind; sie sind als annähernd zu betrachten und keine zugesicherten Eigenschaften, sondern dienen als Maßstab zur Feststellung, ob der Kaufgegenstand gem. VII, Ziff. 1, fehlerfrei ist …”.
Der Kläger hatte das streitgegenständliche Reisemobil, das in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellt wurde, auf einer Messe besichtigt und als sog. Ausstellungsmodell erworben. In dem deutschen Prospekt für die Reisemobile „…” sind für das Modell „…” ein Leergewicht von 5,9 t, eine Zuladung von 1,6 t sowie ein Gesamtgewicht von 7,49 t angegeben. Die Version dieses Reisemobils enthält u.a. serienmäßig eine „Heck-Garage” und eine Zusatzausstattung wie Hydraulikstützen, Außenspiegel, Ventilator und Generator. Der Listenpreis für den … beträgt 320.000 DM. Bei den Verkaufsgesprächen sind dem Kläger Preisliste und Prospekt übergeben worden.
Der Kläger hat vorgetragen, das Fahrzeug sei fehlerbehaftet, da es mit der vertraglichen Sollbeschaffenheit nicht übereinstimme. Das Fahrzeug wiege nämlich bereits im Leerzustand 7,22 t. Bei einer vertragsgemäß vorgesehenen Zuladung von 1,6 t betrage das Gesamtgewicht über 8,8 t. Auch wenn man die europäische Norm über die Zuladung bewohnbarer Freizeitfahrzeuge – EN 1646–2 – zugrunde lege, komme man auf ein Gesamtgewicht von über 8,2 t.
Er, der Kläger, besitze einen Führerschein, der ihm erlaube, Fahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t zu fahren. Für ihn seien sowohl das im Prospekt angegebene Gesamtgewicht von 7,49 t wie auch die Zuladungsmöglichkeit von 1,6 t von kaufentscheidender Bedeutung gewesen. Die bei dem tatsächlichen Leergewicht des Fahrzeugs noch mögliche Zuladung von nicht einmal 300 kg sei völlig unzureichend.
Wegen der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache verlange er Rückabwicklung des Kaufvertrags. Eine Nachbesserung scheide schon deshalb aus, weil das vertragsgemäße Gewicht nicht zu erreichen sei.
Die gezogenen Gebrauchsvorteile lasse er sich mit 1,45 DM pro gefahrenen Kilometer anrechnen. Bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG sei er mit dem Reisemobil 19.545 Kilometer gefahren.
Der Beklagte befinde sich in Annahmeverzug, da er auf einen Vergleichsvorschlag des Klägers nicht eingegangen se...