Entscheidungsstichwort (Thema)
Temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung begründet keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.v. § 826 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die in den VW-Verfahren vom KBA festgestellte und von VW eingeräumte Abschaltautomatik der Motorbaureihe EA 189 hat für Gerichtsverfahren anderer Autohersteller keine Relevanz.
2. Ein - zum Zwecke der Verbesserung des Emissionsverhaltens - vom Autohersteller freiwillig angebotenes Software-Update hat im Hinblick auf das Vorliegen eines vorschriftswidrigen Zustandes keine Aussagekraft.
3. Der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 lässt sich entgegen der Auffassung der 23. Zivilkammer des LG Stuttgart nicht eindeutig entnehmen, ob die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist. Die unklare Formulierung des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 steht jedenfalls der Annahme eines Schädigungsvorsatzes entgegen.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, § 826; ZPO § 520 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 13.07.2018; Aktenzeichen 10 0 304/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.07.2018, Az. 10 O 304/18, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil sowie das vorbezeichnete Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 31.100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Kläger fordert von der Beklagten als Herstellerin eines vom Kläger gebraucht erworbenen Kraftfahrzeuges Schadensersatz, weil die Beklagte das Fahrzeug vorsätzlich mit einer nicht zulässigen Motorsteuerung ausgestattet habe, die zu einer überhöhten Abgasemission im Fahrbetrieb führe.
Der Kläger hat am 27.09.2012 von einem Autohaus in Langenzenn einen gebrauchten PKW Marke Daimler-Benz, Modellbezeichnung C 200 CDI BE, zum Preis von brutto 31.100,00 EUR erworben. Das Fahrzeug war im August 2011 erstmals zum Verkehr zugelassen worden und wies zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger einen Kilometerstand von etwas mehr als 10000 Kilometern auf. Bei dem Händler in Langenzenn handelt es sich um eine gegenüber der beklagten Fahrzeugherstellerin selbständige juristische Person. Mit Anwaltsschreiben vom 03.09.2017 trat der Kläger an die Beklagte erstmals heran und forderte Schadensersatz, weil die Beklagte das Fahrzeug mit einer manipulativen Motorsteuerungssoftware ausgerüstet habe; das Fahrzeug sei damit mangelhaft, der Kläger sei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Bei Kenntnis des Sachverhalts hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben. Die Beklagte müsse ihm deshalb den Kaufpreis gegen Herausgabe des Fahrzeuges erstatten.
Nachdem die Beklagte diesem Ansinnen nicht entsprochen hatte, hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug sei von dem sog. "Mercedes-Abgasskandal" betroffen und erheblich mangelhaft. Der tatsächliche Stickoxid-Ausstoß des Fahrzeuges im Normalbetrieb weiche von den gesetzlichen Vorgaben derart ab, dass die betreffende EU-Schadstoffklasse - welche das sei, gibt der Kläger nicht an - nicht erreicht werde. Die manipulative Motorsteuerung habe zum Erlöschen der Betriebserlaubnis geführt. Eine Nachbesserung sei nicht möglich, weil Maßnahmen mit diesem Ziel zu erheblichem Leistungsverlust des Motors und einem deutlichen Kraftstoffmehrverbrauch, aber auch zu einem erhöhten Motorverschleiß führten. Dem Vorstand der Beklagten seien die nicht gesetzeskonformen Manipulationen bei der Motorsteuerung bekannt gewesen. Damit habe die Beklagte den Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Ein Schaden des Klägers bestehe auch im Minderwert des Fahrzeuges, der nach Bekanntwerden der Manipulation eingetreten sei. Konkret bestehe die sittenwidrige Schädigung darin, bei dem In-Verkehr-Bringen des Fahrzeuges die besondere Eigenschaft der Motorsteuerungssoftware verschwiegen zu haben, die darin bestehe, dass das Fahrzeug den Betrieb auf einem Prüfstand im sog. Neuen europäischen Fahrzyklus erkenne und dann - aber nur dann - den Stickoxid-Ausstoß auf ein mit der betreffenden Schadstoffklasse vereinbares Maß verringere. Im gewöhnlichen Fahrbetrieb auf der Straße sei der Schadstoffausstoß wesentlich höher. Diese Einrichtung stelle eine sog. Abschaltvorrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20.06.2007 dar, sei mithin unzulässig. Diese schädigende Handlung sei der Beklagten zuzurechnen, weil die Beklagte zumindest außergerichtlich ihrer sekundären Darlegungsl...