Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige AGB-Klauseln bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Vorkasse und Bestimmung eines Vertragsschlusses erst mit Zustellung der Ware
Leitsatz (amtlich)
1. Die in AGB bestimmte Frist für die Annahme eines Angebots muss nach Beginn, Dauer und Ende ohne Schwierigkeit oder rechtliche Beratung berechenbar sein, um den Anforderungen des § 308 Nr. 1 BGB zu genügen. (Rn. 20)
2. Eine Vorauszahlung des Kaufpreises darf durch einen Händler von einem Verbraucher nicht verlangt werden, wenn der Kaufvertrag entsprechend den Vertragsbedingungen des Händlers erst mit Zustellung der Ware zustande kommt. (Rn. 22 - 44)
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, § 308 Nr. 1; UWG §§ 3a, 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 14.07.2023; Aktenzeichen 41 HK O 536/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 14. Juli 2023, Az. 41 HK O 536/22, abgeändert, und die Beklagte verurteilt,
1. es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Internet bei Bestellungen unter der URL https://www...-online.de die Zahlungsoption "Vorkasse" in der Weise anzubieten, dass dabei der Verbraucher zur Zahlung des vollen Rechnungsbetrags unter Angabe des Verwendungszwecks innerhalb von sieben Tagen nach Bestelleingang aufgefordert wird, wenn zugleich in den Allgemeinen Geschäftsbedingung eine Regelung wie die im Folgenden wiedergegebene verwendet wird, nach der der Vertrag erst durch Zustellung der Ware zustande kommen soll:
"Der Vertrag kommt in deutscher Sprache durch Zustellung der Ware zustande"
und dies geschieht, wie in der Anlage K 5 zur Klageschrift vom 4. Juli 2022 dargestellt,
2. an den Kläger 260,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2. August 2022 zu zahlen.
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern, angedroht.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 17.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte von ihren Kunden, sofern diese Verbraucher sind, eine Vorauszahlung des Kaufpreises verlangen darf, wenn der Kaufvertrag entsprechend ihren Vertragsbedingungen erst mit Zustellung der Ware zustande kommt.
Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, der als Nr. 67 in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die Beklagte betreibt das Online-Geschäft des Discounters n...; sie bietet dabei insbesondere Verbrauchern Kaufverträge über Waren an, unter denen sich auch hochpreisige Gegenstände befinden wie z.B. im Januar 2022 eine Sauna für 1.599,00 EUR. Die Beklagte verwendet in Nr. 1 ihrer AGB die im Tenor wiedergegebene Regelung, nach der der online abgeschlossene Vertrag durch die Zustellung der Ware zustande kommt. In Nr. 3 dieser AGB wird mitgeteilt, dass Paketzustellungen in "ca. 1 bis 3 Werktagen" ausgeliefert werden und Artikel, die per Spedition geliefert werden, "in ca. 10 Werktagen"; beim Zahlungsmittel "Vorkasse" verlängert sich die Lieferfrist um 3 Werktage, beginnend mit dem Tag der Zahlungsanweisung durch den Kunden. In Nr. 6 der AGB der Beklagten (5. Absatz) ist vorgegeben, dass im Fall der Bezahlung per Vorkasse der Kunde den vollen Rechnungsbetrag innerhalb von 7 Tagen nach Bestelleingang zu überweisen hat und der Artikel bis dahin für ihn reserviert wird.
Der Kläger wendet sich mit seiner auf lauterkeitsrechtliche Ansprüche gestützten Klage dagegen, dass die Beklagte im Rahmen der Bezahlart "Vorkasse" die Kaufpreiszahlung fordert, obwohl nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Vertrag erst mit Zustellung der Ware geschlossen sein soll. Die Beklagte führe die Verbraucher in die Irre, weil sie eine automatisierte Bestellbestätigung übersendet und bereits mit dieser - und nicht erst mit der Zustellung der Ware - der Vertrag zustande komme; dasselbe bewirke der Button "kostenpflichtig bestellen". Zudem verstoße es gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, Vorkasse zu verlangen, bevor ein Vertrag geschlossen ist. Schließlich sei die Gestaltung der Beklagten auch deshalb unzulässig, weil ein Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung vereinbart werde.
Die Beklagte verteidigt ihre Praxis damit, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, eine Bestellbestätigung zu übersenden; in ihr finde sich der Hinweis, dass der Vertrag damit noch nicht zustande gekommen ist. Das Verlangen nach Vorkasse-Zahlung sei sachlich gerechtfertigt, da beim Verkauf hochpreisiger Waren im Online-Geschäft an Kunden, die weder die Bonität für einen Kauf auf Rechnung besitzen noch per Kreditkarte, P. o.Ä. zahlen können/wollen, nur Vorkasse infrage komme, damit sie einigermaßen gesichert sei. Der Verbraucher sei auch nicht schutzlos, weil ih...