Leitsatz (amtlich)

Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen 1,3 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Anschluss an BGH XII ZB 175/07, Beschluss vom 9.12.2009.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Beschluss vom 04.01.2010; Aktenzeichen 3 O 2495/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 21.1.2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Osnabrück vom 4.1.2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die von dem Kläger an den Beklagten auf Grund des Urteils des LG Osnabrück vom 25.11.1009 (3 O 2495/09) zu erstattenden Kosten werden auf 1.201,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.12.2009 festgesetzt.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 487,50 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Prozessbevollmächtigte vertrat den Beklagten in einem Rechtsstreit vor dem LG, der zugunsten des Beklagten ausging. Nach der Kostengrundentscheidung hatte der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat unter dem 4.12.2010 einen Kostenfestsetzungsantrag über entstandene Gebühren i.H.v. 1.221,75 EUR eingereicht. Dabei hat er u.a. die Festsetzung einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV sowie einer 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV beantragt.

Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4.1.2010 hat das LG die von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf lediglich 713,75 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin zu den vorgenomme- nen Absetzungen ausgeführt, die Festsetzung außergerichtlicher Kosten sei im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nicht möglich, die Geschäftsgebühr und die Auslagenpauschale für das vorgerichtliche Verfahren seien deshalb in Abzug zu bringen.

Diesen Beschluss hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten ange- fochten; er wendet ein, bei einer Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr sei die Bestimmung des § 15a RVG zu beachten, die in allen noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung finde.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäߧ 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig, insbesondere form - und fristgerecht eingelegt.

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist auch begründet.

Die Rechtspflegerin hat in dem angefochtenen Beschluss die durch die vorgericht- liche Tätigkeit entstandene 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr angerechnet.

Die Anwendbarkeit der am 5.8.2009 in Kraft getretenen Vorschrift des § 15a RVG auf "Altfälle" ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. In der Rechtsprechung werden ferner unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob die Bestimmung des § 15a RVG eine Gesetzesänderung darstellt, oder ob die Vorschrift lediglich Klarstellungsfunktion hat.

Der 2. Zivilsenat des BGH hat die Ansicht vertreten, bei § 15a RVG handele es sich nicht um eine "Gesetzesänderung" i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG, sondern lediglich um eine "Klarstellung" der ohnehin bereits geltenden Rechtslage durch den Gesetzgeber, derzufolge sich die Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV zum RVG grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten nicht auswirke (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07 -, NJW 2009, 3101 f.; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.12.2009 - 8 W 439/09, Juris; OLG Köln, Beschluss vom14.9.2009 - 17 W 195/09 -, Juris).

Der 12. Zivilsenat des BGH hat sich dieser Auffassung in dem Beschluss 9.12.2009 ausdrücklich angeschlossen und ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit § 15a RVG das RVG nicht geändert und die bereits zuvor bestehende Gesetzeslage klargestellt. Danach würden Anrechnungsvorschriften grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant betreffen. Deshalb müsse ggü. dem Prozessgegner die Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn schon eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Durch § 15a RVG werde deshalb nur sichergestellt, dass der Gegner (=Kläger) nicht mehr zu erstatten habe, als der gegnerische Anwalt von seinem Mandanten verlangen kann (s. im Einzelnen BGH XII ZB 175/07, Beschluss vom 9.12.2009, S. 7 ff.).

Danach kann der Beklagte neben einer Geschäftsgebühr i.H.v. 243,50 EUR gem. Nr. 2300 RVG-VV (487,50 EUR abzgl. 243,75 EUR - Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 IV RVG-VV) die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 487,50 EUR beanspruchen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Senat sieht sich zu einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den beiden genannten neueren Entscheidungen des BGH nicht veranlasst.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2349450

JurBüro 2010, 421

RVGreport 2010, 305

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge