Leitsatz (amtlich)
Zur Erstattungsfähigkeit des merkantilen Minderwerts nach Unfallschaden bei Fahrzeugen mit hoher Laufleistung.
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 10.10.2006; Aktenzeichen 8 O 2651/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.10.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Oldenburg unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 624,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagten zu 1/10.
Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin fordert Schadensersatz aufgrund eines von dem Beklagten zu 2) mit seinem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug am 20.4.2004 verschuldeten Auffahrunfalls.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe aufgrund des Auffahrunfalls eine langwierige HWS-Distorsion erlitten; Folge seien andauernde Schmerzen und Bewegungseinschränkungen gewesen. Bis zum 14.5.2004 sei sie arbeitsunfähig gewesen. Ein im November 2004 erlittener Bandscheibenvorfall sei unfallbedingt. Sie hat ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR für angemessen gehalten.
Weiter hat sie den Ersatz des mit 250 EUR bezifferten merkantilen Minderwerts ihres beschädigten Fahrzeugs sowie die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 86,60 EUR gefordert.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall am 20.4.2004 in R. zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 336,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 250 EUR seit dem 20.4.2004 und auf weitere 86,60 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben ernstliche Verletzungen und Verletzungsfolgen bestritten; einen merkantilen Minderwert halten sie nicht für ersatzfähig.
Das LG hat der Klägerin nach Beweisaufnahme ein Schmerzensgeld von 150 EUR sowie weiteren materiellen Schadensersatz von 74,42 EUR zuerkannt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin; sie hält ein Schmerzensgeld von 1.000 EUR für angemessen und verlangt weiterhin den Ersatz des merkantilen Minderwerts von 250 EUR.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung weiterer 1.100 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.9.2005 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg.
1. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 300 EUR.
Die Klägerin hat ausweislich der von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen durch den von dem Beklagten zu 2) verursachten Auffahrunfall eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten. Folge dieser Verletzung waren Nackenschmerzen, Verspannungen und eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes. Sie wurde mit Schmerzmitteln, Wärmeanwendung und Physiotherapie behandelt. Es waren drei Arztbesuche erforderlich; für etwa zwei Wochen bestand Arbeitsunfähigkeit. Das rechtfertigt im Hinblick auf in vergleichbaren Fällen - dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen annähernd gleiche Schmerzensgeldbeträge zu gewähren sind, kommt besondere Bedeutung zu (vgl. Palandt/Heinrich, BGB, 66. Aufl., § 253 Rz. 18) - zuerkannte Beträge ein Schmerzensgeld von 300 EUR. Damit sind die Verletzungen und Verletzungsfolgen angemessen und ausreichend abgegolten.
Der Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldes steht nicht entgegen, dass dem LG bei der Ermittlung der Höhe des Schmerzensgeldes ein tatrichterliches Ermessen zusteht und dass es alle wesentlichen tatsächlichen Umstände berücksichtigt hat. Eine deutliche Abweichung von Schmerzensgeldregelwerten - hier um 50 % - kann vom Senat als Berufungsgericht überprüft und, soweit im Einzelfall geboten, geändert werden (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 546 Rz. 14).
2. Die Klägerin hat daneben Anspruch auf den Ersatz merkantilen Minderwerts ihres unfallbeschädigten Fahrzeugs i.H.v. 250 EUR.
Diesem Anspruch steht nicht ent...