Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Infolge der Gesetzesänderung zu § 847 BGB mit Wirkung ab 01.07.1990 bedarf es einer persönlichen Erklärung des Verletzten nicht mehr (hier: ein im Koma liegender und später an den Unfallfolgen Verstorbener)

 

Leitsatz (redaktionell)

Infolge der Gesetzesänderung zu § 847 BGB mit Wirkung ab dem 1.7.1990 bedarf es einer persönlichen Willensbekundung des Verletzten darüber, ob ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht werden soll, nicht mehr.

 

Normenkette

BGB § 847 Abs. 1, §§ 1922, 1925, 2039

 

Gründe

Die klagende Erbengemeinschaft hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe gemäß §§ 847 Abs. 1, 1922 Abs. 1, 1925 Abs. 2, 2039 BGB gegen den Beklagten zu 1.) und zusätzlich gemäß § 3 PflVG gegen die Beklagte zu 2.) als Gesamtschuldner.

1. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz allein zur Rechtsfrage, ob infolge der Gesetzesänderung von 1990 auch das Erfordernis entfallen sei, daß der Verletzte selbst artikuliert haben müsse, Schmerzensgeld fordern zu wollen.

Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats die Gesetzesänderung zutreffend gewürdigt. Nach der Streichung des § 847 Abs.1 S. 2 BGB ist der Schmerzensgeldanspruch frei übertragbar und vererblich geworden. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, „daß der Schmerzensgeldanspruch trotz seiner höchstpersönlichen Natur ein gesicherter Anspruch des Opfers ist, dessen Bestand gerade bei Verletzungen mit späterer Todesfolge nach einer Phase der Bewußtlosigkeit nicht von den Zufälligkeiten der rechtzeitigen Erlangung einer Vollmacht abhängig sein darf” (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache 11/4415 Teil B I zu Art. 1). Infolge der Gesetzesänderung ist mit Wirkung ab 01.07.1990 eine Gleichstellung der Schmerzensgeldansprüche mit anderen zivilrechtlichen Ansprüchen erfolgt, die ebenfalls vererblich sind und deshalb von Angehörigen geltend gemacht werden können, sofern nicht ausdrücklich auf die Ansprüche verzichtet wurde. Diesbezügliches ist im Prozeß nicht behauptet und auch nicht aus sonstigen Umständen zu folgern. Insbesondere ist der Anspruch auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Ansinnen der Angehörigen möglicherweise moralisch bedenklich erscheint. Ein sittenwidriges, anspruchausschließendes Verhalten sieht der Senat in der Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruches für den verstorbenen Sohn nicht.

Der Senat teilt weiter die Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil, wonach die zeitlich vor der Gesetzesänderung ergangenen, zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs der vom Landgericht und dem Senat geteilten Rechtsauffassung nicht entgegenstehen können, weil sich die Rechtslage nachträglich geändert hat. Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung BGH VersR 1978, 62 f, auf die die Entscheidung BGH VersR 1984 866 ff. Bezug nimmt, die Notwendigkeit einer Willensbekundung des Verletzten darüber, ob ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht werden soll, sowie den Umstand, daß diese Entscheidung allein dem Verletzten zustehe, als Ausfluß der höchstpersönlichen Anspruchsausgestaltung angesehen, die es – entgegen der Auffassung der Beklagten – § 847 Abs. 1 S. 2 BGB entnommen hat. Diese Vorschrift wurde vom Gesetzgeber ersatzlos gestrichen, um eben gerade die Höchstpersönlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs zu beseitigen. Der Gesetzgeber hat sich zur Beseitigung des „Wettlaufs mit dem Tode” von den verschiedenen diskutierten Lösungsmöglichkeiten (vgl. dazu Voß, Vererblichkeit und Übertragbarkeit des Schmerzensgeldanspruchs, in: VersR 1990, 821 (825)) bewußt für die freie Übertragbarkeit und Vererblichkeit entschieden. Es ist nicht ersichtlich, daß der Gesetzgeber eine völlig neue Form eines Rechtsanspruches einführen wollte, die einerseits nicht mehr höchstpersönlich, andererseits aber weiterhin von einer persönlichen Willenserklärung des Geschädigten selbst abhängig sein sollte.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1135332

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