Leitsatz (amtlich)
a) Zur Rechtsnatur der Beziehungen zwischen dem Provider, dem Hauptvertriebspartner (Distributor) und dem Untervertriebspartner im Mobilfunkgeschäft. hier insbesondere: Rechtsnatur von Prämien, die beim Vertrieb sog. 'PrePaid-Bundles' nach Freischaltung der SIM-Karten vom Hauptvertriebspartner an den Untervertriebspartner gezahlt werden.
b) Zum Wegfall von Provisionsansprüchen für die Vermittlung von Mobilfunkverträgen gem. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB bei Sperre der SIM-Karten durch den Mobilfunkprovider aufgrund verdächtigen Nutzungsverhaltens.
Normenkette
HGB § 87 Abs. 1, § 87a, § 87a Abs. 3 S2
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 21.01.2011; Aktenzeichen 4 O 293/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.1.2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Beklagte vertreibt u.a. als Hauptvertriebspartner (Distributor) des Providers T. D. GmbH (im Folgenden: TM.) Telekommunikationsdienstleistungen. Die Beklagte bedient sich zur Vermarktung dieser Leistungen verschiedener Untervertriebspartner. Der Kläger ist Untervertriebspartner der Beklagten und vermittelt u.a. die Dienstleistungen des Providers TM. an Endkunden. Dem Untervertriebspartner wird im Rahmen dieses Vertriebssystems nach Genehmigung durch den jeweiligen MobilfunkProvider eine sog. UVONummer zugeteilt, die es ihm ermöglicht, über ein InternetTool die Freischaltung von Telekommunikationsdiensten des Mobilfunkproviders zu veranlassen.
Im Rahmen der zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsbeziehungen erwarb der Kläger im Juli und August 2009 von der Beklagten zwei Mal je 500 sog. 'PrePaidBundles' des Providers TM. Die BundlePakete bestanden aus dem Mobiltelefon Nokia 6300 sowie einer SIMKarte mit Startguthaben, die nach dem Abtelefonieren wieder aufgeladen werden konnte (kein Laufzeitvertrag). Der vereinbarte Preis von 99 EUR (netto) pro Bundle wurde vom Kläger bezahlt. Dem Geschäft lag eine E-Mail der bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiterin Kreutz vom 20.7.2009 (GA I 123) zugrunde, in der es heißt:
'ab 500 Stück: 99 EUR (92 EUR + 7 EUR Pfand) - 2 EUR Zielprämie - 41 EUR Prämien = 56 EUR nach Freischaltung (Achtung: Zielvereinbarung über 2 EUR ausfüllen!,?. die fülle ich (P. K.) hier bei E. für dich aus!!!!!!!)
(Schaltungen müssen bis 31.8.2009 erfolgt sein)'
Der Kläger schaltete daraufhin im August 2009 857 SIMKarten frei. Dies geschah u.a. auf Wochenmärkten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen. dabei verwendete der Kläger eigene Antragsformulare, nicht die von TM. zur Verfügung gestellten Vordrucke. Anschließend erteilte die Beklagte dem Kläger eine Gutschrift vom 24.9.2009 (GA I 12 f.) über 44.212,07 EUR inklusive Mehrwertsteuer für den Zeitraum vom 3. bis 31.8.2009. Darin enthalten waren 'Anschlussprovisionen' i.H.v. insgesamt 35.358 EUR (netto) und 'Zielprämien' i.H.v. insgesamt 1.795 EUR (netto). Der Betrag wurde jedoch nicht ausgezahlt. Die Beklagte hatte ihrerseits drei Schreiben vom 9.11.2009 (GA I 65 - 91) von TM. erhalten, mit denen Provisionen aus den Provisionsabrechnungen für Juli und August 2009 zurückgefordert werden. In den Schreiben wird für eine Vielzahl von aufgeführten Kartennummern die Provision i.H.v. jeweils 39 EUR (netto) zurückgefordert und eine Verrechnung des Saldos mit der Provisionsabrechnung des Folgemonats angekündigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe aufgrund der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung ein Anspruch auf Rückerstattung bereits erbrachter Zahlungen i.H.v. 44.212,07 EUR zu. Diesen Betrag nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.286,20 EUR hat der Kläger mit der Klage geltend gemacht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, bei dem streitigen Betrag von 44.212,07 EUR handele es sich um Provisionen für den Vertrieb von Telekommunikationsdiensten. Sie sei aber nicht zur Zahlung von Provision verpflichtet, weil der Kläger bei der Vermittlung der Mobilfunkverträge vertragswidrig nicht die Formulare von TM. verwendet habe und - ebenso vertragswidrig - außerhalb seines Ladenlokals ('Point of Sale') tätig geworden sei. Die entsprechenden Pflichten seien jedenfalls aufgrund der 'Vereinbarung über PrepaidSonderkonditionen' vom 20.7.2009 (GA I 199 f.) in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (GA I 41 ff.) Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung vom 20.7.2009 hatte die Mitarbeiterin K. dem Kläger mit E-Mail vom 21.7.2009 (GA I 198) übersandt. die Mitarbeiterin hatte die Vereinbarung sowohl für die Beklagte als auch...