Leitsatz (amtlich)
Ansprüche des Geschädigten gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung verjähren auch dann, wenn die Regulierungsverhandlungen seit Jahren ruhen und eingeschlafen sind, nicht, wenn der Versicherer keine Regulierungsentscheidung getroffen hatte.
Verfahrensgang
LG Aurich (Aktenzeichen 5 O 968/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 06.06.2016 wie folgt abgeändert:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der Berufung wird die Sache an das Landgericht Aurich zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird in Bezug auf die Rechtsfrage zugelassen, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beendigung der Hemmung der Verjährung durch das Einschlafenlassen von Verhandlungen im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 3 PflVG bzw. § 115 Abs. 2 VVG gilt.
Gründe
Die Berufung führt auf den Hilfsantrag des Klägers zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
I. Der Kläger nimmt die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung direkt auf Ersatz immateriellen und materiellen Schadens in Anspruch, der aus dem Verkehrsunfall herrührt, der sich am 14.08.2003 gegen 13:45 Uhr in E..., Ortsteil L... V... im Kreuzungsbereich der R... Landstraße (L ...) / T... -Weg (K ...) ereignet hat.
Der am 06.03.1979 geborene Kläger war seit 1999 als gelernter Industrieelektroniker bei der V... AG in E... angestellt. Er hatte bei gleichzeitiger Freistellung durch die V... AG 3 Semester im Fach Wirtschaftsingenieurwesen studiert; zum Unfallzeitpunkt befand sich der Kläger in einem Urlaubssemester.
Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen ...die L ... außerorts aus Richtung E... in Richtung W.... Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h. Bei km 5,3 mündet - aus Sicht des Klägers von links - die K ... in die L ... ein. Gegenüber der K ... - also aus Sicht des Klägers von rechts - stößt ein Feldweg auf die L .... Verkehrsteilnehmer auf der L ... haben dort Vorfahrt von denen auf der K ... und dem Feldweg. Der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw mit dem Kennzeichen ... fuhr mit dem PKW im Kreuzungsbereich in die L ... hinein. Der Kläger berührte mit dem Motorrad das Heck des PKW, kam zu Fall und verletzte sich dabei. Das Unfallgeschehen wurde durch die Zeugen W..., R... und S... beobachtet, die in dem gegen den Fahrer des bei der Beklagten versicherten Pkw geführten Ermittlungsverfahren 111 Js 26309/03 der Staatsanwaltschaft Aurich gegenüber der Polizei zum Unfallhergang ausgesagt haben.
Bei dem Sturz erlitt der Kläger eine offene Ober- und Unterschenkelfraktur links mit Kompartment des linken Unterschenkels und multiplen Prellungen. Dauerhafte Verletzungsfolgen sind die eingeschränkte Beweglichkeit des linken Hüftgelenks, eine deutliche Beinverkürzung links (2 cm), diskrete Muskelverschmächtigungen des linken Ober- sowie des linken Unterschenkels bei konsekutiver Schwellneigung des linken Unterschenkels nach Kompartmentspaltung, Narbenbildung am linken Ober- sowie linken Unterschenkel sowie Belastungsminderung des linken Beins mit einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 %.
Der Kläger - vertreten durch seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten - nahm die Beklagte auf Schmerzensgeld und Ersatz entgangenen Verdienstes in Anspruch; den Anspruch auf entgangenen Verdienst leitet der Kläger aus dem Einkommen her, das er bei der V... AG nach Beendigung seines Fachhochschulstudiums bezogen hätte, aber tatsächlich nicht bezogen hat, weil er sein Studium abbrach; hierzu hat er behauptet, dass der Abbruch des Studiums durch den Verkehrsunfall bedingt sei.
Gegenüber den Ansprüchen des Klägers wendete die Beklagte mit Schreiben vom 22.12.2003 ein mögliches Mitverschulden des Klägers ein. Auf Antrag des Klägers führte das Landgericht Aurich das selbständige Beweisverfahren 5 OH 13/04 zur Frage des Unfallhergangs. Hierzu holte das Landgericht das Gutachten des Sachverständigen S... vom 03.11.2004 ein, das der Sachverständige am 09.03.2006 ergänzte. Das Landgericht setzte den Beteiligten mit Verfügung vom 20.03.2006 eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme zu dem Ergänzungsgutachten. Von dieser Möglichkeit machten die Beteiligten keinen Gebrauch.
Die Beklagte holte zusätzlich zu dem Bericht des H... -Krankenhauses in E... (jetzt: Klinikum E...), wo der Kläger in der Zeit vom 14.08. bis zum 25.09.2003 stationär behandelt worden war, den ärztlichen Bericht der Klinik vom 21.10.2003 sowie den Bericht des Krankenhauses F... H... vom 14.11.2003 ein.
Das Klinikum E... erstattete gegenüber der N... Metallberufsgenossenschaft das Gutachten vom 06.04.2006, insbesondere zu den Verletzungsfolgen.
Mit Schreiben vom 18.04.2006 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, die Angelegenheit zu bearbeiten und einer Zwischenlösung mit Ausnahme der Feststellungsansprüche zuzuführen.
Mit Schreiben vom 15.06.2...