Leitsatz (amtlich)
Auch der Führer einer Pferdekutsche ist ab einem Blutalkoholgehalt von 1,1 g vT absolut fahruntüchtig.
Normenkette
StGB § 316
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Entscheidung vom 29.08.2013) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück vom 29. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Osnabrück zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Papenburg hat den Angeklagten am 12. März 2013 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt. Auf seine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Osnabrück - 7. kleine Strafkammer - am 29. August 2013 das Urteil des Amtsgerichts Papenburg aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts habe der Angeklagte am 5. August 2012 gegen 22.30 Uhr in ... mit einer von zwei Pferden gezogenen Kutsche die ... Straße in Fahrtrichtung ... befahren und sei von zwei Polizeibeamten kontrolliert worden. Die daraufhin angeordnete Blutprobe habe für den Entnahmezeitpunkt (6. August 2012 um 00.10 Uhr) eine Blutalkoholkonzentration von 1,98 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X ergeben.
a) Der Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 und 2 StGB sei nicht erwiesen.
Die Alkoholisierung des Angeklagten mit 1,98 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X BAK rechtfertige nicht die Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit, da die nach der Rechtsprechung geltenden Grenzwerte von 1,1 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X BAK für Autofahrer und 1,6 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X BAK für Radfahrer auf einen Kutschführer nicht übertragbar seien. Eine Kutsche sei im Vergleich zum PKW wesentlich langsamer. Dem bei einem Radfahrer für die Fahrtüchtigkeit entscheidenden Gleichgewichtssinn komme beim Lenken von Pferdegespannen eine geringere Bedeutung zu. Der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von Radfahrern sei bei Versuchen in erster Linie dadurch ermittelt worden, dass auf die Fähigkeit der Testpersonen zu sturzfreien Kreis- und Slalomfahrten abgestellt worden sei. Die dabei erzielten Erkenntnisse ließen sich auf Kutschfahrer nicht übertragen.
b) Die Kammer habe bei dem Angeklagten ferner keine relative Fahruntüchtigkeit feststellen können, weil es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Anzeichen für einen alkoholbedingten Fahrfehler oder alkoholbedingte Auffälligkeiten in der Anhaltesituation gegeben habe.
2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
a) Die Bejahung der Eigenschaft der Pferdekutsche als Fahrzeug im Sinne von § 316 StGB, § 24 StVO sowie die Verneinung des Vorliegens einer alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit durch das Landgericht begegnet auf Grundlage der insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen keinen Bedenken.
b) Das landgerichtliche Urteil hält einer rechtlichen Nachprüfung indes insoweit nicht stand, als dass die Strafkammer die Übertragbarkeit des Grenzwertes der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit für Führer von Kraftfahrzeugen (1,1 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X) auf den Führer eines Pferdegespanns verneint hat.
Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Festlegung von Grenzwerten im Straßenverkehr entwickelten Grundsätze sprechen nach Überzeugung des Senats für eine entsprechende Übertragbarkeit.
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1966 - Az.: 4 StR 119/66 - (BGHSt 21, 157) hervorgehoben, dass ein Kraftfahrer (unter Berücksichtigung eines im Hinblick auf etwaige Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes gebotenen Sicherheitszuschlages von 0,2 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X) bei einer Alkoholkonzentration von 1,3 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X nicht mehr in der Lage sei, den Anforderungen schwieriger Verkehrslagen, wie sie jederzeit eintreten könnten, zu genügen. Seine psychophysische Leistungsfähigkeit sei dann so vermindert und seine Gesamtpersönlichkeit so wesentlich verändert, dass er den Anforderungen des Verkehrs nicht mehr durch rasches, angemessenes und zielbewusstes Handeln zu genügen vermag. Die Teilnahme eines solchen Kraftfahrers am Straßenverkehr sei nicht mehr zu verantworten. Er sei fahruntüchtig (vgl. BGHSt 21, 157 [160 ff.]).
bb) Nachdem der Bundesgerichtshof diesen Grenzwert mit seiner Entscheidung vom 29. Oktober 1981 - Az.: 4 StR 262/81 - (BGHSt 30, 251) zunächst auf Mofafahrer übertragen hatte, setzte er am 17. Juli 1986 - Az.: 4 StR 543/85 - (BGHSt 34, 133) den Grenzwert für Radfahrer auf 1,7 ___AMPX_‰_SEMIKOLONX___X BAK fest.
Bei der Festlegung des Grenzwertes für Radfahrer sei von erheblicher Bedeutung, dass alkoholisierte Radfahrer wege...