Leitsatz (amtlich)
1. Kraft Gesetzes ausgeschlossen ist ein Richter gemäß (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG i.V.m.) § 41 Nr. 6 ZPO nur, wenn er am Erlass der angefochtenen Entscheidung als solcher mitgewirkt hat. Auf seine Mitwirkung am vorausgegangenen Verfahren bzw. einer anderen (zumindest verfahrensleitenden) Entscheidung in einer früheren Phase desselben Verfahrens kommt es mit Blick auf den klaren Wortlaut des § 41 Nr. 6 ZPO nicht an.
2. Verfahrensfehler des Amtsgerichts bei Durchführung der Kindesanhörung und des Anhörungs- und Erörterungstermins können ggf. die Anwendung des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG hindern.
3. Aus § 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG kann ein Verfahrensfehler nicht deshalb abgeleitet werden, weil der Verfahrensbeistand (im konkreten Fall teilweise) in Abwesenheit eines Elternteils persönlich angehört worden ist. Zwar ist auch der Verfahrensbeistand Beteiligter (§ 158b Abs. 3 Satz 1 FamFG); in Bezug auf ihn besteht jedoch (anders als im Fall der Kindeseltern) keine gesetzliche Pflicht gerade zur persönlichen Anhörung, wie in § 33 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorausgesetzt ("sind ... persönlich anzuhören").
4. Die Anwendung des § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG setzt das Inbetrachtkommen eines zumindest partiellen Sorgerechtsentzuges (§ 1666 Abs. 3 Nr. 6 FamFG) voraus. Dass ggf. kinderschutzrechtliche Maßnahmen unterhalb dieser Schwelle in Betracht kommen, genügt nicht.
5. Von einem Inbetrachtkommen im Sinne des § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG kann jedenfalls dann keine Rede sein, wenn ein zumindest partieller Sorgerechtsentzug aus objektiver Sicht fernliegend erscheint.
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 3 Nr. 6; FamFG § 6 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1 S. 2, § 68 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 Nr. 1; ZPO § 41 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Ludwigslust (Beschluss vom 19.12.2023; Aktenzeichen 10 F 28/23) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Kindesvaters vom 02.02.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ludwigslust - Familiengericht - vom 19.12.2023, Az.: 10 F 28/23, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der vorbezeichneten Entscheidung unter Ziffern 1 und 2 klarstellend wie folgt neu gefasst wird:
1. Auf deren Antrag wird der Kindesmutter - unter Abänderung der Sorgerechtsentscheidung aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts ... vom 08.05.2019, Az.: 5 UF 225/18 - die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder ... und ... auch für die Teilbereiche "Gesundheitsangelegenheiten" und "Vertretung in Schul- und Kitaangelegenheiten" allein übertragen. Der weitergehende Antrag der Kindesmutter wird zurückgewiesen.
2. Die als solche bezeichnete Anregung des Kindesvaters, den unter Ziffer 1 bezeichneten Beschluss vom 08.05.2019 abzuändern, bietet, selbst wenn sie als förmlicher Antrag auf Abänderung zu verstehen sein sollte, keinen Anlass für eine Abänderung mit dem vom Kindesvater erstrebten Inhalt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kindesvater.
3. Der Verfahrenswert für den Beschwerderechtszug wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beteiligten Kindeseltern, die sich ... über eine Online-Plattform kennengelernt und nach Eheschließung noch im selben Jahr im Sommer 2018 während eines Familienurlaubs getrennt haben, streiten in vorliegender Sache um das Sorgerecht für die im Rubrum ausgewiesenen - ... bzw. ... geborenen und aktuell bei der Kindesmutter in ... im hiesigen Gerichtsbezirk lebenden - gemeinsamen Kinder. Der Kindesvater regt zudem in beiden Instanzen an, Maßnahmen auf Grundlage der §§ 1666, 1666a BGB zu ergreifen. Er geht von einer Kindeswohlgefährdung in der Obhut der Kindesmutter aus, die er teilweise auch mit der im selben Hause wie die Kindesmutter lebenden Großmutter mütterlicherseits in Verbindung bringt. Im Kern geht es insofern um den Vorwurf, der Sohn sei im Sommer 2021 im Keller des mütterlichen Hauses (auf Geheiß der Großmutter mütterlicherseits) eingesperrt worden und leide in der Folge unter erheblichen Ängsten bei Dunkelheit, sowie um den Umgang mit Lebensmittelunverträglichkeiten bei der Tochter, in deren Folge es wiederholt zu Baumschmerzbeschwerden komme, insbesondere nach dem Genuss von falschem bzw. zu viel Obst.
Parallel zum vorliegenden Sorgerechtsverfahren ist unter dem Aktenzeichen 10 F 6/23 vor dem Amtsgericht Ludwigslust ein Umgangsverfahren zwischen den Beteiligten geführt und mit Beschluss vom 11.01.2024 abgeschlossen worden, das im Beschwerderechtszug nunmehr ebenfalls dem Senat - unter dem Aktenzeichen 10 UF 24/24 - zur Entscheidung vorliegt. In beiden Fällen ist es der Kindesvater, der die Beschwerde führt. Beide Verfahren sind ausgesprochen umfangreich. Das Umgangsverfahren umfasst allein erstinstanzlich zehn Hauptaktenbände, das vorliegende Sorgerechtsverfahren neun. Hinzukommt jeweils ein auf beide Verfahren bezogenes familienpsychologisches Gerichtssachverständigengutachten, das 152 Textseiten umfasst und als Sonderband (im Nachgang zu Hauptaktenband IX) geführt wird. Bereits in einem - von mehreren - früheren Kindschaftsverfahren zwischen den Beteiligten war ein familienpsychologisches Gutachten eingeholt ...