Leitsatz (amtlich)

1. Der Nutzer des Telefaxübermittlungsweges muss das zur Fristwahrung Erforderliche tun, um unter normalen Umständen eine Übermittlung bis zum Ablauf der Frist zu ermöglichen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 4. November 2014 - II ZB 25/13, juris Rn. 19).

2. Wird die unterschriebene Berufungsbegründung eingescannt und als Anlage an das Verwaltungspostfach des Berufungsgerichts gemailt, weil das Faxgerät des Gerichts gestört ist, ist die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt, wenn die E-Mail erst am Tag nach Fristablauf vom Gericht ausgedruckt wird.

3. Das Fristversäumnis ist verschuldet, wenn die Bevollmächtigte der Berufungsklägerin nicht die ihr eröffnete Möglichkeit der Übermittlung per besonderem elektronischen Anwaltspostfach nutzt.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Schwerin (Urteil vom 28.05.2019; Aktenzeichen 5a O 53/17)

 

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin, ihr in die versäumte Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 28.05.2019 - 5a O 53/17 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von EUR 10.000,00 zu tragen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hatte Genussrechte an einer Gesellschaft erworben, die einer anderen Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Beklagte war, Darlehen gewährt hatte. Nachdem über das Vermögen der Gesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, waren die Genussrechte für die Klägerin wertlos. Ihre gegen den Beklagten gerichtete Klage auf Schadensersatz aus Prospekthaftung und Zahlung der Klagforderung i. H. v. EUR 10.000,00 hat das Landgericht abgewiesen, weil die klägerischen Ansprüche verjährt gewesen seien.

Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 03.06.2019 zugestellt worden. Mit am 03.07.2019 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Berufung einlegen lassen. Die Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum 05.09.2019 verlängert worden. Am Tag des Fristablaufs versuchte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die fertiggestellte Berufungsbegründung per Fax zwischen 17:00 und 19:45 Uhr an das Oberlandesgericht Rostock zu übersenden. Trotz mehrerer Telefonate mit dem diensthabenden Justizwachtmeister gelang es nicht, die Berufungsbegründung per Fax zu übermitteln.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin versuchte sodann, von einem anderen Faxgerät ihrer Kanzlei die Berufungsbegründung zu versenden. Dies gelang ebenfalls nicht, obwohl ein Testfax an eine andere Nummer gefaxt werden konnte. Nachdem der Justizwachtmeister der Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein anderes empfangsbereites Telefax des Gerichts nennen konnte, übersandte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die eingescannte Berufungsbegründung per E-Mail an das Verwaltungspostfach des Oberlandesgerichts Rostock, um zu dokumentieren, dass die Berufungsbegründung erstellt und versandfertig war. Diese E-Mail ist am 06.09.2019 vom Gericht ausgedruckt worden.

Das Original der Berufungsbegründung ist am 09.09.2019 bei Gericht eingegangen.

Mit der Berufungsbegründung begehrte die Klägerin die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und verfolgte ihren erstinstanzlichen Zahlungsanspruch weiter. Mit am 16.09.2019 eingegangenen Fax beantragt die Klägerin, ihr wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren. Sie sei ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen, die Berufungsbegründung rechtzeitig abzusenden. Ihre Prozessbevollmächtigte träfe keine Pflicht, das besondere elektronische Anwaltspostfach aktiv zu nutzen.

Der Vorsitzende hat die Parteien mit Verfügung vom 30.09.2019 darauf hingewiesen, dass das für Schriftsätze in Zivilsachen zur Verfügung stehende Fax des Oberlandesgerichts Rostock seit dem Nachmittag des 05.09.2019 für mehrere Tage defekt gewesen sei und die am 05.09.2019 übermittelte Mail erst am Morgen des 06.09.2019 ausgedruckt worden sei. Es sei beabsichtigt, Wiedereinsetzung zu gewähren.

Der Beklagte meint, es läge kein Grund vor, der Klägerin Wiedereinsetzung zu gewähren. Denn deren Prozessbevollmächtigte habe nicht den sichersten Übertragungsweg für die Berufungsbegründung gewählt, weil sie nicht vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach Gebrauch gemacht habe.

Mit Hinweis vom 20.01.2020 (Bd. II Bl. 589 f. d. A.) hat der Vorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat doch keine Wiedereinsetzung zu gewähren beabsichtige. Denn es sei nicht erkennbar, warum es der Klägerbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, die Berufungsbegründung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu versenden.

II. Der frist- und formgerecht eingelegte Wiedereinsetzungsantrag war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 233 ZPO nicht vorlagen. Wegen des Fristversäumnisses war die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

1. Der Klägerin war keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Denn die Kläger...

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