Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der vollen 1,6 Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren
Normenkette
RVG-VV Nrn. 3200-3201
Verfahrensgang
LG Rostock (Beschluss vom 06.08.2007; Aktenzeichen 10 O 289/06) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Rostock vom 6.8.2007 aufgehoben.
2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: bis 600 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Höhe der für die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten (nachf. Beklagte gen.) festzusetzenden Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren. Der Verfügungskläger (nachf. Kläger gen.) legte gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Berufung ein, ohne diese zu begründen. Danach bestellte sich der Bevollmächtigte der Beklagten für das Berufungsverfahren und beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Auf Antrag des Klägers verlängerte das OLG die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6.11.2006. Mit Schriftsatz vom 6.11.2006 erklärte der Kläger das Verfahren aufgrund des Baufortschritts für erledigt und kündigte an, die Beklagten in einem Hauptsacheverfahren auf Zahlung von Schadensersatz wegen seiner notwendig gewordenen Bauprojektänderungen in Anspruch zu nehmen. Dem traten die Beklagten durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.11.2006 entgegen und schlossen sich der Erledigungserklärung nicht an. Daraufhin nahm der Kläger die Berufung zurück.
Die Rechtspflegerin des LG änderte den ursprünglich ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.3.2007 auf Beschwerde des Klägers mit dem jetzt angefochtenen Beschluss dahin ab, dass nur eine 1,1 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 RVG-VV i.H.v. 710,60 EUR und nicht eine solche i.H.v. 1,6 festgesetzt wird. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten, der das LG nicht abhalf und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorlegte.
Die gem. § 104 Abs. 3, 567 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, so dass der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss des LG vom 7.3.2007 wieder in Kraft tritt.
Zu Unrecht hat das LG nur eine 1,1 Verfahrensgebühr als erstattungsfähig angesehen. Obgleich der Kläger sein Rechtsmittel nicht begründete, ist hier eine 1,6 Verfahrensgebühr festzusetzen. Diese entstand erstattungsfähig zwar nicht schon mit dem Zurückweisungsantrag der Beklagten, da bei dessen Stellung die Berufung noch nicht begründet worden war (vgl. dazu Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., Rz. 61 zu VV 3200), aber mit der Verweigerung der Zustimmung zur Erledigung der Hauptsache. An einer vorzeitigen Erledigung des Auftrages gem. VV 3201 zum RVG fehlt es. Eine solche liegt vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge enthält, eingereicht hat. Eine ausreichende Tätigkeit für eine 1,6 Gebühr liegt vor, wenn ein Sachantrag gestellt wird (Gerold/Schmidt, a.a.O., Rz. 6 ff. zu VV 3201). Alle Erklärungen, die in der ersten Instanz keine Sachanträge darstellen, sind auch im Rechtsmittelverfahren keine solchen (Gerold/Schmidt, a.a.O., Rz. 11 zu W 3201). Ein Sachantrag liegt in der Erledigungserklärung, und zwar auch für die Zustimmung des Beklagtenvertreters (Gerold/Schmidt, a.a.O., Rz. 28 zu VV 3101). Gilt aber die Zustimmung des Beklagtenvertreters als Sachantrag, so ist dies erst recht der Widerspruch gegen die Erledigungserklärung. Die Beklagten haben einen Sachantrag stellen lassen, indem sie der Erledigungserklärung des Klägers widersprachen. Der Bevollmächtigte der Beklagten hat sich sachlich mit der Zulässigkeit der Erledigungserklärung befasst. Daher kann eine Ermäßigung wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrages gem. VV 3201 auf eine 1,1 Verfahrensgebühr nicht stattfinden, vielmehr bleibt es bei der vollen 1,6 Verfahrensgebühr.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO (analog).
Fundstellen
Haufe-Index 1934340 |
NJW-RR 2008, 1095 |
JurBüro 2008, 260 |
AGS 2008, 309 |
OLGR-Ost 2008, 357 |