Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Testamentsechtheit

 

Leitsatz (amtlich)

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren - wie dem Erbscheinsverfahren - vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, "der den Zweifeln Einhalt gebietet", ohne sie völlig ausschließen zu können.

 

Verfahrensgang

AG Neubrandenburg (Aktenzeichen 501 VI 675/16)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 06.03.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 19.01.2018 wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandwert in Höhe von 15.500,- EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments.

Der Beteiligte zu 2) ist der Ehemann der verstorbenen Erblasserin. Diese war bereits zuvor einmal verheiratet. Die Beteiligte zu 1) stammt aus der ersten Ehe der Erblasserin. Sie ist das einzige Kind der Erblasserin.

Der Beteiligte zu 2) hat am 02.08.2016 vor dem Amtsgericht Neubrandenburg - Nachlassgericht - einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerbe der Erblasserin ausweist. Er hat in diesem Zusammenhang auf ein durch das Amtsgericht Neubrandenburg am 07.07.2016 (Az.: 501 VI 359/16) eröffnetes gemeinschaftliches Testament der Eheleute D. verwiesen, mit dem diese sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben.

Die Beteiligte zu 1) hat der Erteilung des beantragten Erbscheins widersprochen. Dies hat sie im Wesentlichen damit begründet, dass die unter dem Testament befindliche Unterschrift nicht von der Erblasserin stamme.

Das Amtsgericht hat daraufhin ein Sachverständigengutachten zu den Fragen, ob das Testament von der Erblasserin selbst aufgesetzt - wie vom Beteiligten zu 2) behauptet - und unterschrieben sei, eingeholt. Die vereidigte Sachverständige für Handschriftenuntersuchung Dipl. - Psych. D. C. ist in ihrem Gutachten vom 19.09.2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Testamentstext mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % bis 99 % und die Testamentsunterschrift mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % bis 95 % von der Erblasserin stammen.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat daraufhin mit Beschluss vom 19.01.2018 die für die Begründung des Antrags vom 02.08.2016 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen unter Verweis auf das Gutachten für festgestellt erachtet. Nach der Rechtsprechung könne der Echtheitsbeweis damit als geführt angesehen werden. Hinzu komme, dass sich aus vorgelegtem Nachrichtenverkehr ergebe, dass das Verhältnis zwischen Erblasserin und der Beteiligten zu 1) nicht ungetrübt gewesen sei.

Hiergegen hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Das Schriftgutachten sei nicht überzeugend, da es in einer Vielzahl von Schriftproben keine Analogien nachweise, sondern geradezu massive Abweichungen. Sie vertritt die Auffassung, dass der Gesamteindruck des Testaments den Schluss aufdränge, dass der Testamentstext weder von der Erblasserin noch dem Beteiligten zu 2), sondern von einer dritten Person gefertigt worden sei. In Frage komme hier die Schwester der Erblasserin, Frau U., die auch ansonsten die Korrespondenz für die Eheleute D. geführt habe. Es sei angezeigt, einen Zweitgutachter mit der Klärung der Urheberschaft des Testaments zu beauftragen.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat daraufhin die Sachverständige zu einer Ergänzung ihres Gutachtens hinsichtlich der von der Beteiligten zu 1) geäußerten Kritik aufgefordert.

Mit Ergänzungsgutachten vom 10.08.2018 hat sich die Sachverständige sodann dezidiert mit jeder einzelnen Beanstandung der Beteiligten zu 1) auseinandergesetzt und ist letztlich zu dem Ergebnis gelangt, dass auch die erneute Überprüfung unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beteiligten zu 1) keine Veranlassung gebe das Gutachten vom 19.09.2017 zu modifizieren.

In ihrer Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten führt die Beteiligte zu 1) unter Einreichung weiterer Schriftstücke der Erblasserin aus, dass sie weiterhin davon ausgehe, dass die Unterschrift der Erblasserin im Testament gefälscht worden sei. Bei den vom Beteiligten zu 2) eingereichten Unterlagen würde es sich um keine "amtlichen" Schriftstücke handeln, so dass diese einer Manipulation zugänglich gewesen seien. Nur durch ein Gutachten, das auf diese Problematik eingehe, könne die Urheberschaft festgestellt werden. Die Sachverständige habe selbst Einschränkungen in dem Grad der Wahrscheinlichkeit eingeräumt. Offenbar sei der Sachverständigen bislang auch nicht die Erkrankung der Erblasserin in Form einer Retinopathie bekannt gewesen. Dies müsse zu einer weiteren Nachfrage bei der Sachverständigen bzw. der Einholung eines neuen Guta...

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