Leitsatz (amtlich)

Die Konzentration der Zuständigkeit für Adoptionen mit Auslandsbezug auf das AG am Sitz des OLG („zentrales Adoptionsgericht”) erfasst auch die Adoptionen, in denen nur die Zustimmung nach Art. 23 EGBGB ausländischem Recht unterliegt (Abweichung von OLG Hamm v. 21.11.2002 – 15 Sbd 13/02, OLGReport Hamm 2003, 189 = FamRZ 2003, 1042). OLG Stuttgart

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Aktenzeichen F 6-XVI 2004)

AG Heilbronn (Aktenzeichen XVI 15/03)

 

Tenor

Das AG – VormG – Stuttgart ist zur Übernahme des Adoptionsverfahrens verpflichtet.

 

Gründe

1. Gegenstand des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens ist der von den Beteiligten gestellte Adoptionsantrag. Der Annehmende, der mit der Mutter des nichtehelichen Anzunehmenden verheiratet ist, möchte diesen adoptieren. Der minderjährige, zwischenzeitlich 15 jährige Anzunehmende und seine Mutter sind thailändische Staatsangehörige, während der Annehmende deutscher Staatsangehöriger ist. Der leibliche thailändische Vater des Anzunehmenden ist 1991 verstorben.

Da alle Beteiligten in Heilbronn leben, haben sie den notariell beurkundeten Adoptionsantrag beim AG – VormG – Heilbronn gestellt. Dieses hat das Verfahren durch Beschluss vom 12.5.2003 (veröffentlicht in AG Heilbronn v. 12.5.2003 – XVI 15/03, FamRZ 2003, 1573) unter Bezugnahme auf § 43b Abs. 2 S. 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) vom 5.11.2001 an das AG – VormG – Stuttgart abgegeben. Dieses ist infolge der im Adoptionswirkungsgesetz vorgesehenen Zuständigkeitskonzentration auf das VormG am Sitz des OLG für alle Verfahren zuständig, in denen „ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen”. Das AG Heilbronn sieht diesen Fall als gegeben an; zwar sei gem. Art. 22 EGBGB wegen der deutschen Staatsangehörigkeit des Annehmenden für die Adoption deutsches Recht maßgeblich, wegen der ausländischen Staatangehörigkeit des minderjährigen Kindes sei aber gem. Art. 23 EGBGB zusätzlich dessen Heimatrecht, also thailändisches Recht, zu prüfen.

Das AG – VormG – Stuttgart hat durch Beschluss vom 10.7.2003 eine Übernahme abgelehnt. Damit ein Fall der Zuständigkeitskonzentration angenommen werden könne, dürfe sich die Anwendung ausländischen Rechts nicht nur – wie hier – auf Teil- oder Vorfragen beziehen; vielmehr müsse sich die Annahme insgesamt nach ausländischen Sachvorschriften richten.

2.a) Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat nach § 5 FGG liegen vor, nachdem das zum Landgerichtsbezirk Heilbronn gehörende AG Heilbronn als Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts der Beteiligten die Sache an das zum Bezirk des LG Stuttgart gehörende AG Stuttgart abgegeben, dieses aber die Übernahme abgelehnt hat.

b) Das AG – VormG – Stuttgart ist zur Übernahme des Addoptionsverfahrens verpflichtet. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit des „zentralen” VormG am Sitz des OLG liegen vor.

Nach § 43b Abs. 2 S. 1 FGG ist für die Annahme eines Kindes das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz hat. Da alle Beteiligten in Heilbronn wohnen, wäre damit das AG – VormG – Heilbronn zuständig.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn § 43b Abs. 2 S. 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 AdWirkG Anwendung findet. Danach verlagert sich für Adoptionsverfahren, in denen „ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kommen”, die örtliche Zuständigkeit auf das VormG am Sitz des OLG für dessen gesamten Bezirk. Das vorliegende Adoptionsverfahren unterliegt nach Art. 22 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB zwar deutschem Recht, aber über Art. 23 EGBGB findet auch thailändisches Sachrecht Anwendung, denn die Erforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und eines Angehörigen zur Annahme richten sich zusätzlich nach dem Heimatrecht des Kindes. Nur soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist, ist – subsidiär – stattdessen auch insoweit deutsches Recht anzuwenden.

Zwar wird unter Berufung auf die „Entstehungsgeschichte und ratio der Vorschrift” (Steiger, DNotZ 2002, 184 [206 Fn. 42]) vertreten, dass es bei der „Regel”-Zuständigkeit des § 43b Abs. 2 S. 1 FGG verbleibe, wenn nur „Teil- oder Vorfragen” – wie hier die Frage der Erforderlichkeit und Erteilung der Zustimmung des Kindes und Angehöriger – ausländischem Recht unterliegen. Dem sind das OLG Hamm (OLG Hamm v. 21.11.2002 – 15 Sbd 13/02, OLGReport Hamm 2003, 189 = FamRZ 2003, 1042) ohne nähere Begründung und das LG Koblenz (LG Koblenz, Beschl. v. 15.1.2003 – 2 AR 10/02, FamRZ 2003, 1572) gefolgt; jedoch hat dieselbe Kammer des LG Koblenz im (vom AG Heilbronn beigezogenen) Beschl. v. 17.4.2002 (LG Koblenz, Beschl. v. 17.4.2002 – 2 AR 26/02) gegenteilig entschieden. Busch (Busch, IPPrax 2003, 13 [20]) hat das durch die Neuregelung entstandene Zuständigkeitsproblem klar angesprochen, aber die Lösung offengelassen, während die Kommentierung von Engelhardt (in Keidel/Kuntze, FG, 15. Aufl., § 43b Rz. 9) auf die hier zu beantwortende Frage nicht eingeht.

Nach Ansicht des Senats findet diese primär von Steiger vertretene Auslegun...

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